Die Götter zu ehren, ihnen zu danken oder die unholden zu versöhnen, mußte des Menschen Trachten sein, dessen Glaube der Mythos formte. Nicht anders schien ihm dies möglich, als durch äußeres Werk.
Bald aber glaubte er auch zu erfühlen, daß bei solchem Tun die Form der Handlung von Bedeutung sei.
Nicht jeglicher Gebrauch bei Opfer, Dank und Lobgesang schien gleichen Wertes in der Götter Wertung.
So sonderte er Formen der Verehrung und des Opfers aus, die nicht der Götter Wohlgefallen fanden, und übte andere Formen, die ihm, wie er glaubte, ihre Gunst bescheren mußten.
Eigener Wünsche Erfüllung größere Gewähr zu schaffen, führte zu strengster Innehaltung scheinbar sicher erprobten Gebrauchs.
Der Kult der Götter hatte seine feste Form gefunden.
So glaubte man sich den Himmlischen die der Mensch im Mythos einst geschaffen hatte, verpflichtet, bis jene ersten der Leuchtenden erschienen, die den Mythos hellten.
Sie waren es, die den Kult der Götter zu erst aus Banden dumpfen Aberglaubens lösten, und ihn benutzten, um des Menschen innewohnende magische Kraft zu wecken.
Sie wußten um die Fähigkeit des Menschen, Unsichtbares zu erregen, so daß es nach des Menschen Willen wirken und ihm dienstbar werden muß.
Sie wußten aber auch, daß nur letzte innere Zuversicht solches Werk zum Gelingen bringen kann, und banden so bewußt das magische Tun an den Glauben, den sie jeweils fest gegründet fanden.
Als der Götter Gnade und Huld trat so in des Menschen Bewußtsein, was er eigener magischer Kraft zu danken hatte…
Noch war er nicht reif – noch ist er es heute nicht – die Wirkung dieser hohen Kraft, nur auf sich selbst gestellt zu erproben.
Wohl war es nicht augenblickliche Zauberwirkung die auf solche Weise erfolgte, doch zeigte sich nun eine weitaus gewissere vermeintliche «Erhörung» der Wünsche.
Infolge der Durchlichtung des Mythos erwuchs der Kult zu erhabenem Geschehen und tiefste seelische Klänge wurden in dem Gläubigen erweckt.
Die spätere Zeit des Verfalls und der Erstarrung erst zerstörte auch hier das Leben und hegte nur noch die äußere Form als steriles Gehäuse.
Noch aber blieb Erinnerung – genährt durch die Sage – an früheres segensreicheres Geschehen.
Der Wunsch, die äußere Natur auch ohne harte Arbeit zu bezwingen, ließ Legenden wachsen, die der Ahnen «Zauberkräfte» ins Gigantische erhoben zeigten, und die Götter, die man jetzt nicht mehr erreichte, unter Menschen wandelnd…
Man ahnte auch wohl, daß in Verborgenheit noch Kulte blühten, die das Vermächtnis alter Zeit zu hüten wußten.
Da aber die Verborgenen das ihnen Heilige nicht profanierten, benützte allenthalben der Betrug die Neugier um sich in Respekt zu setzen.
Die Geschichte des Priestertruges beginnt in jenen, noch vorgeschichtlichen Tagen!
Was die Geschichte heute an alten Kulten kennt, stammt allerfrühestens bereits aus der Spätzeit ihres Bestehens!
Jahrtausende vorher müßten der Forschung zugänglich sein, sollte sie sichere Kunde über die Ausgangspunkte der alten Kulte bringen können!
So Gewichtiges von höchstem Werte aber auch verschüttet wurde: – ein kärglicher Rest des einst Gewesenen blieb dennoch bis in geschichtliche Tage erhalten, und selbst in dieser heutigen Zeit ist noch nicht alles von dem was jene Alten kannten, von der Erde verschwunden.
Ein in Europa vor kaum zweitausend Jahren nur scheinbar «neubegründeter» Kult führt vieles davon noch heute als Erbgut mit und weiß sehr wohl, weshalb er es vor aller profanen Betastung schützt, während im Inneren Asiens ein noch weit jüngerer Kult – aus guten Gründen dem in Europa einst erblühten nur allzuähnlich – nicht minder vorgeschichtlichem Erbe neue Form und neue Deutung gab.– –
Töricht wäre es heute, einen neuen Kult zu schaffen, der, wie die hier gemeinten, einem Mythos seine Tragkraft danken würde.
Töricht vor allem: dem Mythos, der seinen Kult noch besitzt, einen neuen Kult nach Willkür zu formen.
Wer hindert die neuen Gläubigen des Mythos, die einst seinen Kult verließen, ihn nun, befreit von späterer Zutat, aufs neue so zu übernehmen, wie er einst vom Altertum, für den damals neuen Mythos umgewandelt, übernommen worden war, wenn das Bedürfnis nach einem, von ihrem gläubig verehrten Mythos getragenen Kulte in ihnen heute aufs neue lebendig sein sollte?!–
Eine heute vielleicht nicht mehr zu ferne Zeit wird freilich des Mythos nicht mehr bedürfen um sich ihren Kult zu schaffen. –
Ihr Kult wird auf dem Wesentlichsten aller alten Kulte fußen, wird reinste Kult-Magie und Dienst am Innersten des Menschen sein! – –
Aber auch dieser kommende Kult läßt sich nicht, aus Sehnsucht nach ihm, nach bloßer Willkür schaffen.
Erst müssen die Kräfte im Menschen, die er voraussetzt, allüberall in Vielen erweckt und in lauterer Wirksamkeit sein!
Dann wird er gewißlich erstehen, aller Hemmnisse spottend!
Längst ruht der Samen im Schöße der unsichtbaren Erde, aus dem er, mit starkem Schafte sprießend, dereinst zum Baume erwachsen wird!
Aus seinen Früchten wird eine kommende Kultur sich nähren! –
Die Sehnsucht der Vielen die ihn ersehnen, wird mehr und mehr die Triebkraft des Samens wecken aus dem er ersteht…