Kultmagie und Mythos:

Das Werk des Menschen

Ich kenne Größeres nicht auf dieser Erde als das Geisteswerk  des Menschen!

Insonderheit dort, wo es ihm selbst zu groß erscheint, so daß er sich Götter schafft nach seinem Bilde, muß ich des Menschen geistiges Werk bewundern!  Nie kann es mir an hohem Werte verlieren, so man mir sagt: – «Nun endlich haben wir erkannt, daß dieses Geisteswerk, das wir als Göttertat verehrten,  in  Wahrheit vom Menschen stammt.»

Ich weiß,  daß alles Geistige auf dieser Erde stets des Menschen bedarf, soll es für Menschen  in  Erscheinung  treten  und vernehmbar werden…

Ja,  auch  des Menschen  selbstgeschaffene Götter weiß ich noch  zu ehren um seinetwillen!

Sein Bestes sehe  ich  in ihnen dargestellt!

Seine eigene Größe zeigen mir seines Geistes Geschöpfe, die er über  sich selbst emporhob, um ihnen zu dienen…

Seiner eigenen Hoheit Bild schuf er, sich vor ihm zu beugen…

 

 

So ist mir auch mancher hohe Kult und solchen Kultes weiser Mythos noch heilig um des Menschen willen: – als  ein Werk des Menschen.

Der  Mythos zeigt  mir den  Menschen in göttlichem  Bilde. –

Im Kulte  sehe ich  ihn das  Göttliche  in sich selbst  verehren, – benannt mit dem Namen des Gottes, den er sich selber schuf. –

 

 

Wahrlich: du denkst gar gering von dir selbst,  wenn  du des Menschen Werk in jenen  Höhen da er sich Götter, Mythos und  Kult  erschuf, verachten  zu  dürfen glaubst! Noch bist du  dir  selber fremd, wenn  du des  Geistes Darstellung  auf dieser  Erde suchst und dennoch  verschmähen willst, was als das Werk  des  Menschen sich in solcher Darstellung bekennen muß! 

 

 

Unmündigen  mußten  die  Weisen der Alten weislich verbergen, daß sie selbst gestaltet hatten, was  sie als der Götter Wort verkündeten.

Die  aber  der Gottheit Stimme in  sich selbst vernommen hatten, mußten Götter erschaffen, sollte das Wort in ihnen sie nicht selbst erschrecken!

So  ward die Sprache  ihres  Mundes  ihnen selbst  schon Bild  und  Gleichnis, und jene Anderen, die sie vernahmen, ließen Bild und Gleichnis bilderzeugend weiter  in sich wirken. –

Hohe Wissende aber, die da erkannten, was des  Menschen geistige  Kraft vermag, schufen dem  Mythos den Kult, – schufen die hohen Formen  magischen  Wirkens, die verborgen hinter Bild und Gleichnis, des Menschen geheimste Macht ihm dienstbar werden ließen.

Vieles davon  ist heute verschüttet, nachdem es Jahrtausende hindurch einst des Menschen heiligster Besitz gewesen  war.

Vieles ist heute noch im  Wirken, doch wird es von denen, die seiner pflegen, kaum mehr erkannt.

 

 

Die aber allen Kult verachten, da sie bei der Genesis des Mythos der ihn trägt, den Menschen am Werke fanden, sind des irren Glaubens, letzte Erkenntnis entschleiere Mythos  und  Kult  als  Gebilde  törichten Wahns.

Sie ahnen nicht,  daß hier der  Wissende zu ehren weiß, was sie mißachten!

Sie ahnen nicht, daß sie über Tempelfundamente schreiten,  in deren Mauern köstliche Kleinodien noch des Finders harren!

Sie haben den  Menschen erkannt, wo sie ehedem Götter  am Werke  glaubten, – so dünkt ihnen wertlos  nun und verächtlich, was sie ehedem verehrten.

Nur Seltene erfühlen in sich selbst, zu welcher Höhe sich das Werk des  Menschen erheben kann.

Sie allein noch kennen die Ehrfurcht  vor dem Werke, das der Mensch der Vergangenheit schuf.

Sie wissen, daß keine große Kultur bestand, die nicht auf einem  Kulte  sich erhoben hätte,  der seine Tragkraft einem Mythos dankte.

Sie wissen, daß Kult und Mythos sich nicht schaffen lassen als ein Werk der Willkür und  darum  ehren sie,  was aus  den Tiefen schöpferischer Kraft des Menschen dermaleinst ins Dasein trat.

Noch keiner hat die tiefsten Tiefen der Quelle  dieser  Kraft  ermessen!

Wer  aber ahnend in sich selber sucht, der wird alsbald erkennen,  daß er  nur  sich selber lästert, wenn er das Werk der alten Weisen schmäht…

Erschauernd  wird er vor  dem  Werk  des Menschen  stehen, das ihm die  Gottheit offenbart! –