Mögen auch Anhänger ehrwürdig alter Religions Systeme, denen der Erdenmensch nur aus dem sterblichen Leibe und einer unsterblichen Seele zu „bestehen” scheint, zur Not etwa zuzugeben geneigt sein, daß sich ein Seelisches, dem der Tiere gleich, in ihren Selbstbekundungen während des Erdenlebens zur Auswirkung bringe, so darf man doch sicher damit rechnen, daß die allenfalls Zustimmungsbereiten diesen Auswirkungen eine obere Äußerungsgrenze anweisen, die — in der Wirklichkeit — kaum deren niederste Auswirkungszone gänzlich umfaßt. Alles Höhere rechnen sie bereits ihrer ewigen Seele zu, in der sicheren Meinung, es könne nur unbedeutend Niederes Ausdruck eines zeitlich bedingten Lebenskomplexes sein, der selbst nur in Wahrheit ein Funktionsergebnis vergänglichen irdischen Körperlebens darstellt. Bis zu gewissem Grade wird solche Auffassung allerdings dadurch unterstützt, daß die Tierseele, wie schon erörtert ist, im Erdenmenschen überaus bedeutsame und sie in mancher Hinsicht unvergleichlich Höherem als dem ihr Gemäßen zuführende Influenzen aus der ewigen Seele empfängt. Einflüsse, die dem Tiere niemals zuteil werden könnten! Es ist darum schwer geworden, mit Gewissheit zu bestimmen, was noch der erdenmenschlichen Tierseele zugeschrieben werden muß, und was ohne Frage Auswirkung der bleibenden Seele ist. Aber trotz allem darf man jederzeit sicher sein, daß man die obere Grenze für das, was aus der vergänglichen, irdisch-tierhaften Seele des der Erde verhafteten Menschen stammt, garnicht hoch genug ziehen kann! — Die Einsiedlermönche des Athos beweisen auf ihre Art unstreitig eine tiefe Erkenntnis, wenn sie alle Arten der Gelehrsamkeit für unvereinbar mit echter Frömmigkeit, und für ein Hindernis der Gottesschau erklären. Um das aber recht zu verstehen, muß man wissen, daß es sich bei diesen asketischen Anachoreten keineswegs etwa um die allbekannten Divergenzen zwischen Glauben und Wissen handelt, sondern um Gelehrsamkeit schlechthin, mag sie auch „rechtgläubige” Theologie und vor allem religiösen Zweifel gesicherte Schriftkunde umfassen. Ihre Erkenntnis läßt sie — in freilich übersteigerter Folgerung, — einen ganz seiner ewigen Seele lebenden Analphabeten weit höher einschätzen als einen mit allen verstandesmäßig zu lösenden Fragen orthodoxer Theologie Vertrauten, denn sie wissen sehr wohl, daß zwar auch dessen Verstand sehr vieles den Influenzen der ewigen Seele verdankt, daß aber sein gelehrtes Erforschen die ewige Seele kaum benötigt…
Vielleicht wird es manchen Leser dieser Worte erschrecken, wenn er gewahr wird, daß er, von allen Zweifeln unberührt, vieles aus bestem Glauben seiner bleibenden Seele zuzuschreiben gewohnt war, was er nun — wenn er der Wahrheit die Ehre geben will — hinfort seiner vergänglichen irdischen Tierseele dankbar anrechnen muß. Es ist aber besser, einmal durch solches Erschrecken hindurchzugehen, als sich dauernd in Träumen zu gefallen, die der Wirklichkeit keineswegs entsprechen und darum auch nichts Wirkliches in dem Traumgefesselten zu fördern vermögen. Nun ist es gewiß nicht nötig, wie die strengsten Einsiedler unter den Athosmönchen, sich nur dem Empfinden der ewigen Seele hinzugeben und in allem, was durch die Kräfte der vergänglichen tiergemäßen Seele dem Bewußtsein nahegebracht werden kann, gleichsam „Schlingen der Hölle” zu vermuten. Es ist sogar angebracht, der Tierseele in sich mit aller Ehrfurcht zu begegnen, und keineswegs gering zu schätzen, was sie dem Erdenmenschem zu vermitteln hat. Es ist jedoch anzustreben, daß die tierhafte Seele gänzlich dem Dienste der ewigen Seele unterstellt wird, denn sie kann in solchem Dienste der ewigen Seele Werk in kaum vorstellbarer Weise fördern. Ist auch die Tierseele nicht, gleich der bleibenden Seele, seiner selbst bewußter Erlebensraum eines individualisierten ewigen Geistesfunkens, — offenbart sie sich auch nicht in einer empfindbaren Form aus höchsten lichtempfänglichen Urseinskräften, — so ist sie dennoch sekundäre Auswirkung des Urseins, wenn auch in seiner lichtfernsten, nur blind schöpfungsträchtigen Selbstdarstellung aus der alles Gestaltete im Weltall seine Gestaltung fand und findet. Ehrfurcht ist hier wahrhaftig wohlangebracht, und jede Unterschätzung muß unerwünschte Folgen schaffen!
Gewiß ist es dem eine ewige Seele Glaubenden oder vermeintlich schon Erfühlenden wenig erwünscht, zu hören, daß auch die höchsten Resultate menschlichen Denkens — mag sich dieses Denken auf das beziehen, was man „Philosophie” zu nennen pflegt, auf Religion, Mathematik oder irgendwelche Gebiete der höchstentwickelten Technik mit Einschluß der Chemie und aller ärztlichen Forschung — durchaus Zustandekommen können ohne die geringste Mitwirkung der ewigen Seele. Noch schwerer aber wird es ihm zu verstehen sein, daß auch technisch hochbedeutsame Werke jeglicher Kunst nur das Werk der im Menschen zu höchster Entwicklung gelangten Tierseele sind, auch wenn sie freilich auf jeder technisch zu wertenden Höhe Ausdrucksgestaltungen der bleibenden Seele werden können... Es wird kaum mit einem anderen Wort soviel Mißbrauch getrieben, wie mit dem Wort „Seele”, das auch jeder als Bezeichnung für etwas dem Tierhaften Überordnetes aufgenommen wissen will, der sich aufs heftigste wehren würde, wollte man von ihm erwarten, daß er die bleibende Seele als Wirklichkeit seinem erdachten Weltbild überzuordnen wisse. —