Es ist nicht Willkür, wenn in der alten Verheißung nun das Bild vom «Anklopfen» Aufnahme findet! – –
Ist «Suchen» ein Versenken in sich selbst, um da die innerste, tiefste Tiefe zu finden, – ist «Bitten» ein Wollen in festem Vertrauen auf das «Empfangen», – so ist «Anklopfen», – Pochen um Einlaß zu erreichen, – ein äußeres, tätiges Verhalten, das einer Forderung Ausdruck verleiht. –
Es ist dem, der «beten» lernen will, gleichsam hier gesagt, daß er das Recht zu fordern, zu verlangen, hat, – so vermessen das auch scheinbar klingen mag, – und daß er dieses hohe Recht nur dann sich erwirkt, wenn er auch tätig zu beten weiß: – wenn auch sein Tun den Bedingnissen wahren «Gebetes» entspricht. – – –
Das gilt für die ganze Einstellung bei allem Beten, – auch wenn es sich um Dinge des äußeren Daseins handelt. –
Er-hörung findet nur, wer wirklich «anklopft», – wirklich pocht, – wer seine gerechte «Bitte», sein Erwarten durch das entsprechende tätige Verhalten verstärkt, und dadurch an sich zur Forderung werden läßt, die Erfüllung findet aus Notwendigkeit. – – –
Der Beter darf sich nicht wundern, wird er nicht erhört, trotzdem sein «Suchen» und «Bitten» vor seinen Augen ihm durchaus einwandfrei erscheint, solange er nicht ebenso auch richtig «anzuklopfen » weiß. – –
Noch fehlt dann die dritte Bedingung vollkommenen «Gebetes»!
Er betet vielleicht um Dinge, die ihm selbst zuteil werden sollen, – aber dort, wo das Gebet mit ihm selber rechnet, – wo sein Ergreifen eben dieser Dinge notwendig wäre, rührt er keine Hand…
Er will vielleicht durch sein Beten einem anderen Menschen Hilfe senden, aus materieller Not ihn zu befreien suchen, aber ferne liegt es ihm, aus eigenen Mitteln etwas für ihn zu tun, oder Gelegenheiten zu erfassen, die dem Anderen praktischen Nutzen bringen könnten…
Er möchte sich oder andere durch sein Gebet befreit von Krankheit sehen, aber er verschmäht den Arzt und rührt sich nicht, nach einer Heilgelegenheit zu suchen…
In allen diesen und noch tausend anderen Fällen fehlt Erfüllung jener dritten Grundbedingung wahren «Gebetes» die in der Verheißung dargestellt wird unter dem Bilde eines Menschen der nicht nur außen steht und wartet, bis man ihn hereinruft, sondern der «anklopft», damit ihm «aufgetan werde». – – –
Auch in jener Art frommer Himmelsanbettelei, die man so gemeinhin für «beten» hält, fehlen die Hilfesuchenden allermeist dadurch, daß sie das werktätige «Beten» für gänzlich überflüssig halten. –
Es könnte sonst so manchem geholfen werden, obwohl seine Vorstellung von dem was wirklich «beten» heißt, noch nichts weiß, denn dumpf und unbewußt dringt doch der eine oder der andere durch seine Inbrunst zu einem, wenn auch unvollkommenen, «Finden» und «Empfangen» vor…
Auch wenn sein «Anklopfen »ebenso unzureichend erfolgen würde, könnte es dennoch bewirken, daß das, was er nach landläufiger Weise und guten Glaubens für «Beten» hält, nicht umsonst gewesen wäre. – –
Es gibt aber auch unter denen die noch nicht erkennen was wahrhaft «Beten» heißt, daneben genugsam andere Menschen die aus innerem Gefühl heraus das Rechte in allen drei Stücken tun, auch wenn sie weit mehr vermöchten, wäre ihnen das ganze Geheimnis des rechten Betens vertraut. –
Doch, auch das rechte «Anklopfen» bezieht sich in der Verheißung durchaus nicht nur auf das «Beten» um irdische Dinge, sondern in erster Linie soll es dazu führen, Einlaß zu erlangen in den heilighehren Tempel der Ewigkeit, um hier das Mysterium des Menschen: – seinen Ausgang aus dem Lichte und seine Wiederkehr zum Licht, erschauernd zu erleben…
Keiner kann in diesen Tempel Einlaß finden, der nicht vordem im «Suchen» und «Finden» sich bewährte, – der nicht vordem also «bitten» lernte, daß er «empfangen» durfte.
Man weiß im «Innern», – und es ist auch hier das Innere des Tempels nur im Menschen selbst zu suchen, – sehr genau, wer der ist, der draußen «anklopft»,und man wird ihm nicht eher öffnen, als bis er die beiden anderen Bedingungen des rechten «Betens» zu erfüllen wußte.
«Anklopfen» heißt hier, sein Leben aktiv so gestalten, daß jede Handlung die berechtigte Forderung darstellt, in das Innere des Tempels aufgenommen zu werden, und wahrlich: – wer in solcher Weise «anklopft», dem wird «aufgetan», weil er selbst die Bedingung dazu schafft. – –
Man hat im Laufe der Jahrhunderte die seltsamsten Heimlichkeiten hinter diesem Worte vom «Anklopfen» und «Auftun» vermutet und gesucht, so daß da und dort von hohlen, aber auch von allzuklugen Köpfen die abstrusesten «Übungen» erfunden wurden, die angeblich das rechte «Anklopfen» darstellen sollen.
Ich kenne auch heute gewisse Menschen, die, ehrfurchterfüllt, Orakelsprüche wirrer Schwärmer wie das kostbarste Heiligtum bei sich verwahren, und bescheiden genug sind, die Tatsache, daß ihnen alles derartige «Üben» keinerlei Erfolg einbrachte, darauf zurückzuführen, daß sie es doch, bei allem heißen Bemühen, wohl «nicht richtig angestellt» hätten, weil ihr Orakelpriester solchen Erfolg für sich erlangt haben müsse, ansonsten er die torheittriefenden Anweisungen – sancta simplicitas! – nicht niedergeschrieben haben könnte. –
Stets gibt es neue Gläubige für derartigen Aberwitz, und immer wieder stehen Mystagogen auf, die entweder selbst betört, oder, weil anders ihr Weizen nicht blühen will, mit geheimnisvoller Geste der übelsten Narrheit Zutreiberdienste leisten.
Daß solches möglich ist, wird nur dadurch verstehbar, daß sehr vielen Suchenden das wirklich von ihnen Verlangte – zu einfach und zu wenig widersinnig erscheint, weil sie erst in glaubenswillige Erregung geraten, wenn das Absurde Glauben von ihnen fordert. – –
Der Menschenfreund erschrickt, wenn er solche Verirrung sieht und möchte mit allen Kräften die Betörten retten; aber alle Hilfsbereitschaft ist hier am falschen Ort.
Man kann nur die noch nicht Verirrten warnen und ihnen die Dinge, von denen sie vielleicht schon vom Hörensagen wissen, beim rechten Namen nennen. Man kann nur aufzuzeigen suchen, daß die Verheißung mit all diesen seltsamen «Übungen» recht durchsichtiger Erfindung nicht das mindeste zu schaffen hat.
«Anklopfen», im Sinne der Verheißung, heißt mit Tat und Wirken «beten», und wer sich dazu nicht verstehen kann, der wird vergeblich darauf warten, daß ihm «aufgetan» werde!
Nun darf man sich aber auch nicht der falschen Vorstellung ergeben, als sei das «Auftun», im Sinne unserer Verheißung, ein plötzliches Eröffnen unerahnter geistiger Herrlichkeit, – ein sofortiges Offenbaren der geheimsten Weisheit, – ein Aufstoßen aller Türen des Tempels, und ein augenblickliches Wegziehen des verhüllenden Vorhangs, der das Allerheiligste vor unbereiteten Blicken schützt!
Auch der Tempel der Ewigkeit hat seine Vorhallen, und der Neophyte wird sich wahrlich schon glücklich preisen dürfen, wenn er – bildlich gesprochen – seinen Fuß in die äußerste dieser Vorhallen setzen darf…
Wer da mit großen Ambitionen kommt und sich für würdig hält, wenn auch nicht gleich ins Allerheiligste, so doch in eines der es umschließenden Sanktuarien einzugehen, dem wird gewiß nicht «aufgetan» werden, daß er auch nur die Vorhöfe schaue. – –
Doch wird hier keiner etwa «ungerecht» behandelt!
Hier hängt nichts von irgend einer Willkür ab!
Es ist alles durch geistiges Gesetz geordnet, und dieses «Gesetz» ist kein ersonnenes Werk, sondern folgerichtige Auswirkung geistigen Lebens, unwandelbar wie die Gottheit selbst, deren Art und Wesen es den Wissenden offenbart, nachdem sie «wissend» wurden durch seine Erfüllung!
Wohl ist die Gottheit auch im Menschen selbst, – wohl ist im Innersten des Menschen ihr hochheiliger Tempel, – und wohl ist «Gott», wie immer man dieses Wort sich deuten mag, dem Menschen nur in dem Innersten menschlicher Seele erreichbar und empfindbar!
Aber die meisten der Menschen ahnen nicht, welche unendlichen Weiten ihre eigene, stets in ewigem Rhythmus schwingende «Seele» umfaßt! –
Die meisten ahnen nicht, welche unmeßbaren Fernen zwischen ihrem Bewußtsein und dem bewußten Sein Gottes liegen, obwohl «Gott» sie erfüllt und sie nur in «Gott» ihr Dasein haben. – – –
Sie stehen, für ihre Vorstellung, mit Gott «auf Du und Du», ohne im mindesten sich des Frevels bewußt zu werden, den diese Vorstellung enthält. – –
Es ist wahrlich schwer, ihnen beizubringen, daß Gott, dem göttlichen Leben nach, ihnen zwar das Allernächste, – dem bewußten göttlichen Sein nach aber das Allerfernste ist, – daß eine «Jakobsleiter» in ihnen selbst aufgerichtet werden muß, auf deren Sprossen erst alle die Lichtgrade geistiger Hierarchien herabsteigen und sich die Hände reichen müssen, soll erdenmenschliches Bewußtsein wache Kommunikation mit dem ewigen, unvorstellbaren, göttlichen bewußten Sein erleben können, ohne Vernichtung fürchten zu müssen. – – –
Dummstolzer geistlicher Hochmut meint, nichts dürfe sich zwischen Gott und den Menschen stellen, – aber hier ist nur die Bitte rechte Antwort: «Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, wie sie Dich schmähen!»
Wer daher wirklich will, daß ihm « aufgetan» werde, wenn er mit seinem ganzen Leben, mit all seinem irdischen Tun und Wirken «anzuklopfen» wagt, der erwarte nicht etwa, daß «Gott», – in welcher Form er auch an Gott glauben mag, – als ewiges Ursein an der Pforte stehen werde um ihm «aufzutun»! – –
Wer richtig «anklopfen» will, der muß vor allem soviel Ehrerbietung vor der Gottheit in sich tragen, daß er beglückt wäre über alle Maßen, wenn ihm – gleichnisweise gesprochen – auch nur der letzte Tempeldiener Gottes «auftun» wollte…
Anders wird dem wahrhaft Betenden auch nie eröffnet werden, was nur in ihm selber «aufgetan» werden kann!