Hier wird es sich nun entscheiden, ob der bei dem zweiten Erfordernis angelangte Suchende auch schon in Wahrheit zur «Bitte» berechtigt ist!
«Bitte» ist hier kein Flehen um irgend eine Gewährung die gleichsam «von außen her» zu erhoffen wäre! «Bitte» ist hier die Auslösung einer geistigen Kraft, die da bewirkt, daß in Erscheinung tritt, was durch «Suchen» und «Finden» bereits zu eigen wurde. –
Man kann im wahren «Gebete» um nichts anderes «bitten», als um das, was bereits von Ewigkeit her im Willen des Urseins gegeben ist.
Man kann aber auch das also Gegebene nur dann zu eigen erlange, wenn man in der Selbst-Versenkung seinen Eigen-Willen dahin gab und einsinken ließ in den Willen des ewigen Seins. – –
So ist dem wahrhaft «Betenden» schon vorher gewährt, um was er bitten kann…
Gewiß kann jedoch auch das wirkliche «Gebet» jeweils auf ganz Bestimmtes und Besonderes gerichtet sein, – aber die Wirkungskraft der «Bitte» ist keineswegs ohne alle Grenzen! – –
Es wird diese Wirkungskraft genau bestimmt durch das, was sich der Bittende – aus allem Gegebenen – in Wahrheit zu eigen zu machen wußte, so daß es gewiß keine Torheit war, wenn voreinst glaubensdurchflammte Zeiten zu der Überzeugung kamen, daß mancher Menschen Gebet zu sicherer Wirkung führe, wo alles Beten Anderer nichts vermöge…
Dabei bleibt es gegenstandslos, ob Jene, deren Gebet man für wirkungskräftiger hielt, vom Geheimnis des wahren «Betens» verstandesmäßig unterrichtet waren, oder die Wahrheit nur dunkel erahnten. –
Selbst wenn sie durch dumpfen Aberglauben sich bewegen ließen, unbewußt das Richtige zu tun, konnten sie wahrlich ihr Gebet zu einer Wirkungskraft steigern, die den anderen wie «Wundertat» erschien.
Dennoch wird aber auch von diesen Meistern des wirklichen «Gebetes» gar oft berichtet, daß ihr Gebet in diesem oder jenem Falle nichts vermochte, – sei es um des Unglaubens und der Herzenskälte derer willen, für die sie beteten, oder suchten sie für sich selbst etwas zu «erbeten», was sie nicht selbst für sich «erbeten» konnten…
Es wäre wahrlich denn auch zuviel gesagt, wollte man das wahre «Gebet» etwa «allmächtig» nennen, da doch die Macht des ewigen Urseins in sich selbst ihre Grenzen sieht, weil ewige Gottheit nicht sich selbst entgegenwirken kann. –
Hingegen aber wissen auch nur die allerwenigsten Menschen in heutigen Tagen noch aus eigener Erfahrung, was das wirkliche «Gebet» denn doch vermag. – – –
Manchen wurde jedoch die Kraft des «Gebetes» bekannt, obwohl sie gewiß nicht ahnten, weshalb sie «Erhörung» fanden, so daß sie dann auf ihre Art sich Erklärung schufen, wo ihre unvollkommene Einsicht ihnen keine Klarheit bringen konnte.
Sie waren in schwerer Seelen-Not, ganz unbewußt, zur Versenkung in ihre tiefste Tiefe, und damit zum «Finden» gekommen, so daß ihnen hier zu eigen wurde, um was sie alsdann – in gleicher Weise unbewußt – auch richtig zu «bitten» vermochten, und in selbiger Art erlernten sie das rechte «Klopfen», dem die Türe zum Tempel sich öffnen mußte. – –
Da es aber jedem Menschen hier auf Erden wahrlich möglich ist, in rechter Weise, ganz bewußt des hehren Tuns, zu «beten», wenn er nur das «Beten» lernen mag, und nicht erst wartet, bis es ihn die Not des Leibes oder bittere Seelenqual vom Unbewußten her einst lehren wird, – so würde es heißen: göttliche Hilfe verachten, wollte nicht jeder, dem rechte Lehre geworden, fortan danach trachten, auch nach solcher Lehre zu tun…
Nun wird es freilich vielen gar befremdlich erscheinen, daß man das «Beten» lernen soll, gleich irgendeinem Können das erlernbar ist?!
Aber alle, die hier auf Erden einst bewußt das «Gebet» als heilige Himmelskunst übten, waren dazu nur durch Lehre und eigenes Lernen gelangt. – –
Ja: – es verrät uns die alte geheiligte Kunde, daß jene Schüler des großen Liebenden, die ihn zu bitten wußten, daß er sie beten lehren möge, schon manche hohe Einsicht erlangt haben mußten, denn nur ihr Wissen, daß man beten lernen könne, ließ sie jene Bitte an den Meister tun.
Gebetsformeln kannten sie ja wahrhaftig genug, und sie baten auch nicht: «Herr, lehre uns ein neues Gebet», – sondern sagten klar und bestimmt:
«Herr, lehre uns beten!»
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Selbst wenn die ganze alte Kunde nur bloße Erdichtung wäre, hätte doch hier der Dichter sich als ein Wissender offenbart, denn nur ein solcher hätte diese eindeutig klaren Worte den Schülern des hohen Meisters in den Mund legen können. – – –
Hier ist jetzt geboten, zu lehren wie man «bitten» muß um zu «empfangen».
Mit aller Absicht wiederhole ich also nochmals, daß jenes «Bitten», wie es das wirkliche «Gebet» verlangt, fern sein muß allem Betteln und Flehen.
Es gilt nicht, ein hartes Herz endlich zu erweichen, oder eine Gabe zu erquälen, die dem Bettelnden nicht zukommt!
Wer durch richtiges «Suchen» und «Finden» sich Berechtigung schuf zur «Bitte», der hat nur darauf zu achten, daß er gleichsam – verständlich bitte: – daß er die rechte Haltung bewahre, die zur Auslösung der Kräfte führt, durch die das «Empfangen» Wirklichkeit wird.
Dieses «Bitten» ist eine gelassene, völlig ruhige und sichere Gestaltung eines präzisen Vorstellungsbildes, das wie ein «Vorbild» dessen gelten kann, um was man «bittet». –
Sobald aber der Wille des Betenden dieses Vorstellungsbild geschaffen und zu größtmöglichster Festigkeit verdichtet hat, muß er sich mitsamt seinem Werke ganz und gar dem ewigen Willen des Urseins übergeben, überlassen und anvertrauen.
Es kommt hier alles darauf an, daß der ganze Eigen-Wille, mit dem «Vorbild», das er schuf, so in den Willen des Urseins eingesenkt wird, daß auch nicht die leiseste Willensregung noch aus dem Meere des ewigen Willens hervorragt, – daß auch kein kleinster Teil des «Vorbildes» bleibt, der nicht von den Wogen dieses Meeres erfüllt und durchströmt würde.
Ist nun das, um was auf solche Weise bittend «gebetet» wird, überhaupt im ewigen Willen des Urseins «gegeben», und hat es der also Bittende bereits durch sein «Suchen» und «Finden» zu eigen erlangt, so ist auch die Gewährung der Bitte im selben Augenblick vollzogen in dem die absolute Versenkung in den Urwillen erfolgte, und es bedarf nur noch der im Irdischen unübersteigbaren Zeit, auf daß die Wirkung des Gebetes in Erscheinung treten könne, vorausgesetzt, daß der Bittende zugleich auch nach rechter Weise «anzuklopfen» versteht. – – –
Der einzige, aber auch wahrlich unüberwindliche Widerstand, dem solche «Bitte» im Menschen selbst begegnen kann, ist der Zweifel! – –
Hinsichtlich der Gewährungsmöglichkeit kann gewiß der Betende nur ahnen und tasten.
Er kann nicht mit Sicherheit etwa wissen, ob das Erbetene zu den Dingen gehört, die im Urwillen schon seit aller Ewigkeit gegeben sind, und ebensowenig weiß er bestimmt, ob er schon bis zum vollen Umfang seiner Bitte «empfangsberechtigt» ist.
So kann er denn auch nicht wissen, ob er im einzelnen Falle schon Gewährung erlangte, und es wäre überhebliche Vermessenheit, sie unter allen Umständen zu erwarten…
Dennoch darf er keinen Augenblick daran zweifeln, daß ihm alles gewährt sein muß, was ihm nach Lage der Umstände gewährt werden kann!
Er muß die Frage: – ob er wohl «empfangen» werde um was er bittet, restlos aus seinem Denken und Fühlen verbannen! – –
Alles Wünschen und Hoffen muß er gewissermaßen in sich «neutralisieren»!
Er muß sich dem Willen des Urseins vorbehaltlos vereinen, – muß ganz mit diesem Willen verschmelzen, ohne den leisesten Zweifel aufkommen zu lassen an der Sicherheit der Gewährung, soweit Gewährungs-Möglichkeit besteht! –
Auch das will «gelernt» sein, und nur wer es lernt, wird Herr über allen Zweifel werden! – –
Je höher sich allerdings mit der Zeit die Beweise häufen, dafür, daß die rechte «Bitte» die Gewährung, so wie sie erfolgen kann, in sich selber trägt, desto leichter wird es werden, allen Zweifel zu besiegen, noch bevor er sich hemmend in den Weg stellen kann.
Hat er aber auch wirksam den Zweifel überwunden, so darf doch der Betende in seinem Vertrauen nicht überheblich werden!
Vor allem darf er nicht glauben, selbst die Art und Weise bestimmen zu können, nach der seiner Bitte Gewährung werden soll, noch darf er sich vermessen, die dafür ihm genehme Zeit gleichsam erzwingen zu wollen…
Alles das steht ihm nicht zu!
Er muß das alles jenen hohen Mächten überlassen, die aus ewigem Urwillen Auftrag haben, die Geschicke derart unter ihrem geistigen Einfluß zu halten, daß die Kette des Geschehens jeweils gerade die Glieder aneinanderreiht, die nötig sind, um ohne Beirrung irdisch-physischer Gesetze Wirkungen herbeizuführen, die im Reiche des Geistes, – im Reiche ursprünglichster Ursachen, – veranlaßt werden…
So kann es kommen, daß der Anschein entsteht, als habe eine «Bitte» keine Erhörung gefunden, während bereits alle Kräfte in Bewegung sind, um die Gewährung zu bewirken, die freilich auf andere Weise dann erfolgen wird, als der Betende sie zu erhalten glaubte.
Oft kommt für den Beter erst nach langer Zeit der Tag herauf, an dem er endlich erkennen lernt, daß er, auf bessere Weise als er hoffen konnte, schon längst Gewährung seiner Bitte fand…
Die Verheißung, daß der Bittende mit Sicherheit «empfangen» werde, darf aber gewiß nicht nur auf die Dinge des irdischen Daseins bezogen werden, und wer sie nur aus der irdischen Ansicht her betrachtet, der muß sich sagen, daß sie sich bewahrheiten kann, auch wenn der Bittende Anderes empfängt, als das, um was er bittet. – –
Es ist aber in der hier vorliegenden, und für die Lehre die hier vermittelt werden soll so instruktiven Verheißung vor allem davon die Rede, daß das, was von Ewigkeit her dem Erdenmenschen vorbehalten bleibt für alle Ewigkeit, durch rechte Bitte «empfangen» werden kann.
Man soll Eines tun und das Andere darum nicht unterlassen!
Da die Dinge seines Erden-Lebens dem Menschen der Erde vorerst am heftigsten auf die Nägel brennen, soll er wahrhaftig die Macht des «Gebetes» gebrauchen, um auch Irdisches sich zu erleichtern, oder seinem Nebenmenschen dann noch Hilfe darzubieten, wenn alle äußere Möglichkeit, zu helfen, sich längst erschöpfte, oder als unzureichend erweist. –
Vor allem aber ist das «Gebet» dem Menschen gegeben um in den erneuten Besitz seines ewigen Erbes zu gelangen: – um das zu «empfangen» was man, mit einem sehr verfänglichen Wort, in der Sprache der sogenannten «Gottesgelehrten» – die Gnade nennt. – –
Was hier aber in Wahrheit gemeint war, von denen, die noch wußten um was es sich handelt, ist alles andere eher, nur nicht etwa ein Geschenk der Willkür!
Auch die ewige Urliebe aus der alles hervorgeht was im «Sein» und im «Dasein» ist, kann nicht ihre eigene «Struktur» verändern, – kann nicht «Gesetz», das durch ihr eigenes ewiges Sein besteht, negieren um der Liebe willen, sondern muß gesetzte Bedingungen erfüllt sehen, wenn sie das ihr Entfremdete wieder in sich aufnehmen können soll. – –
So ist es die wahre «Bitte», die es dem Strom der ewigen Liebe wieder möglich macht, das Bewußtsein des Erdenmenschen zu durchfließen…
Die «Bitte», die kein Betteln und Abhandelnwollen, sondern ein ruhiges Sichdarbieten ist, in sicherster Gewißheit, daß ihr das Empfangen des göttlichen Liebes-Stromes nun nicht vorenthalten wird, – nicht vorenthalten werden kann. – – –
Hier ist nichts anderes als eine geistige Gesetzmäßigkeit, die Erfüllung braucht, bevor die Auswirkung erfolgt!
So, wie der Suchende erst in sich selber fand, was er vordem vergeblich im Äußeren suchte, so empfängt nun der Bittende in sich selbst den nötigen Lebensstrom der Liebe. – –
Vorher ist er einem Elektromotor zu vergleichen, der zwar in allen Teilen überprüft, nun zur Arbeitsleistung fähig wäre, aber noch nicht vom Kraftstrom der Zentrale durchflössen ist.
Nun aber ist der Kontakt geschlossen: – der Motor ist durch den Strom in Bewegung, – aber nun wartet er auf den Gebrauch seiner Arbeitsleistung, denn vergeblich würde ihn die Kraft durchfließen, wäre keine Möglichkeit, auch seine Bewegung nutzbar zu machen. –
In diesem Bilde zeigen sich gleichnisweise die drei Erfordernisse des wahren «Gebetes».
Dem «Suchen» und «Finden» ist die technische Überprüfung des Motors bis in seine innersten Teile zu vergleichen.
Das «Bitten» und «Empfangen» ist zu erkennen in dem Schließen des Kontakts und der Durchflutung mit elektrischem Strom.
Dem «Anklopfen» und «Auftun» aber ist das Anschließen des Motors an die durch ihn zu betreibenden Maschinen und die dadurch bewirkte Tätigkeit sehr wohl vergleichbar.
Doch, dieser Vergleich, entnommen dem Bereiche der Technik heutiger Tage, soll keineswegs mehr sein als ein Hinweis, der vielleicht meine Worte unterstützen kann.
Wer diesen Hinweis nicht braucht, oder wer sich dadurch gestört fühlen sollte, daß ich mich nicht scheue, hier ein Gleichnis aus dem Alltag zu gestalten, der möge ruhig unbeachtet lassen, was ich doch immerhin meiner Rede einverwoben wissen möchte!
So glaube ich, hier von dem zweiten Erfordernis wahren «Gebetes» schon die Brücke zum dritten hin gespannt zu haben und hoffe, daß alle, zu denen ich hier spreche, mir auch weiter über diese Brücke folgen werden.