Das Buch vom Menschen:

Die neue Menschheit

   Solange auf dieser  Erde Menschen  in irgendeiner Art von Gemeinschaftsverbänden leben, wird es immer  und immer wieder einzelne geben, die mit der Art  des Gemeinschaftslebens, das sie an andere bindet, nicht zufrieden sind, und dennoch werden die Menschen  niemals eine vollkommene Staatsform finden. –

 

   Stets wird der Vorteil des einen des andern Nachteil sein, und immer werden nur wenige auf ihren Vorteil verzichten wollen, auch wenn sie sehen, daß er den anderen Nachteil bringt.

 

   Es  ist nicht möglich, daß auf dieser Erde je ein „Gottesstaat” entsteht,  der alle Menschen  frei in Liebe einen würde, denn diese Erde wurde einst durch den Menschen selbst  entgottet, als er aus Furcht vor seiner eigenen Macht die Herrschaft über sie  verlor. – – –

 

   So  sehr  man  auch  in  Theorien aller Menschen Seligkeit auf Erden  proklamieren  mag, so wird  die Wirklichkeit doch immer unbekümmert aller Theorien spotten. –

 

   In allen  „Republiken” wird es „Könige”  und  „Fürsten” geben,  und  kein „Despot” wird je verhindern können, daß in seinem Reiche sich Gebiete finden, die seine Macht und Willkür nie beherrschen  kann. – – –

 

   Nie wird dem „Rate aller”  ein Gesetz entsprießen, das jene weisen und erhabenen Gesetze übertreffen könnte, die  einst von großen „Königen” der Welt gegeben wurden.

 

   Es  werden  immer  nur wenige  sein, denen  Natur die Gabe  und Kraft verlieh, das Ungeordnete zu ordnen, und zu leiten,  was  ohne Leitung  sich und anderen kein  Gedeihen schafft. –  –

 

   Noch seltener werden jene zu finden  sein, denen Natur das Recht zu herrschen  in die Wiege legte, – – zu herrschen über  alles, was nicht Selbstbeherrschung üben  kann und mag. –

 

 

   In allen Reichen des Kosmos, ob sie den  physischen  oder den geistigen  Sinnen  sich  erschließen, herrscht das  System der  „Hierarchie”, herrscht Unter- und Überordnung, und immer kleiner wird die Zahl der wirkenden Gewalten, je weiter ihre Macht und ihre Wirkung  reichen. – – –

 

   Auch des  Erdenmenschen Gemeinschaftsleben ist diesem Gesetz unterworfen,  und  jede Willkür,  die in guter Absicht  „Gleichheit” schaffen möchte, ist von Anfang an verurteilt durch sich selbst, – geht den enttäuschungsreichen Weg, den  stets Natur für alle Menschenweisheit offenhält, die ihr Gesetz noch nicht erkennt, oder es mißachtet, falls sie  es erkannte. –

 

   In jeder Art des menschlichen  Gemeinschaftslebens  auf  der Erde läßt Hierarchie und Stufenbildung sich, Naturgebot entsprechend, auferbauen ,  und wird dies nicht bewußt erstrebt,  so baut  Natur das ihr  gemäße, ohne alle Rücksicht, selber auf, wie groß die Zahl der  Opfer dann auch werden möge, die das eherne Gesetz erfordert…

 

   Es läßt sich nichts umgehen, nichts  auf andere  Art  erzielen, wo das allgemeine, kosmische Gesetz befiehlt. –

 

 

   Nicht aber dadurch,  daß er  in einem  Königsschlosse  geboren   wurde,  wird  ein Mensch zum „König”,  und alle  Weisheit eines Philosophen, der die Menschen unter seiner Leitung glücklich sehen möchte, wird keinen  „Staatenlenker”  aus ihm  machen.

 

   Die mystische Gewalt, die wahrhaft „Könige”  schafft, kann  sich Jahrhunderte in einer  Sippe erhalten; – sie  muß verlöschen,  sobald  die  Impulse,  die einst „königliche” Art in ihr begründet  haben, die Auswirkung  in  Tat und Leben fanden, und  keine Wehr der Welt kann dann das so Erloschene durch andere Macht ersetzen und ein äußerliches „Königtum” noch schützen…

 

   Jedoch nicht jeder „König”, den sein Land  verlor,  hat  darum  aufgehört,  den Hermelin der  Könige  zu tragen, – – und umgekehrt ward mancher Königsthron gestürzt durch  einen Feind der  „königlichen” Macht, der ganz gewiß nicht ahnte, daß er selbst  ein „König” war, den nur sein Land nicht fand. – –  –

 

 

   Es ist  verzeihlich, in  den Dingen staatlicher Gestaltung an  eine  „Entwickelung” zu glauben, denn  das Auge des Menschen ist nur allzu  geneigt, die nächste Umwelt für „die Welt” zu halten, und ebenso vermag der Mensch  nur schwer,  die Zeiten, die er überschauen  kann, als  „Ewigkeitssekunden” anzusehen. – –

 

   Die wenigen auf dieser Erde, die über ein weiteres Blickfeld in Raum und Zeit zu spähen  vermögen, müssen  sich,  trotz aller scheinbaren  Gegengründe sagen, daß alles,  was der Mensch der Erde  in Hinsicht auf „Staatenordnung” für „Entwickelung”  hält,  nur eitel Täuschung ist, und daß die Menschheit nach Jahrtausenden in gleichen Kämpfen um die Vorherrschaft der einen  oder anderen sich verbluten wird,  wie heute  oder  schon vor Tausenden von Jahren, da Kulturen untergingen, deren Zeugnisse noch  kein Forscher je ergrub…

 

   Bald wird  „das Volk” dem Wahn erliegen,  „Herrscher” sein zu können, und sich selbst, – den „Herrscher” – – zu beherrschen,  bald werden Könige, in denen nichts von wahrem „Königtum” und seiner mystischen Gewalt zu finden ist, den Thron, der ihnen nicht gebührt, durch Waffen  sichern wollen,  und immer wieder werden  die Geschicke wechseln, bis die letzten Menschen dieser Erde falls nicht Geisteseinsicht sie noch hindert, gegenseitig sich  erschlagen, weil  das  letzte Tier geschlachtet  und  die letzte Pflanze längst in Sand und Eis erstorben ist, – denn diese Erde muß erstarren, und des Erdenmenschen ewige  „Erlösung”  wird erst eine neue Weltenperiode schauen. – – –

 

   Wehe den „letzten Menschen”, denn da wird die Sage von Kain und Abel tausendfältig Wiederholung finden, falls der Erdenmensch sich nicht vorher darauf besinnt, daß jedes „Du”  ein „Ich”  ist, das in ihm sich finden will. – –

 

 

   Jeder der Wenigen,  denen  Geist  und hohe Geistes-Übertragung Weiten der Zeit und  des Raumes  lichtklar erhellte, ist mit mir eines Sinnes in dem Wunsche: – Möchte nur  Einer derer,  die  in  heutigen  und künftigen Tagen dieser Erdenwelt ein dauerndes Glück  zu bereiten hoffen, fähig werden, das  zu sehen, was wir Wenigen, von Leid um  andere fast ausgelöscht,  klar  sehen lernen müssen! – –

 

   Er würde sicherlich vor Schreck gelähmt, und tiefe Scham im Herzen,  seine Zukunftsträume  in den tiefsten  Schacht  der  Seele bannen, würde nie  und nimmermehr auf dieser Erde  suchen,  was sein  Geist ihm zeigt, und was er nur, in Irrtumswahn befangen, hier auf diesem Weltenstäubchen „Erde” ausgestaltbar glaubt. – –

 

 

   Die Träume  dieser Weltbeglücker sind trotzdem aller Wahrheit voll, nur ist das Glück, das sie der Menschheit  wünschen, nie auf Erden zu erreichen, nie mit Erdenmitteln auszuwirken, nie dem  Menschen dieser  Erde, so wie sie ihn sich erträumen, vorbehalten. – – –

 

   Laßt  uns darum  eine  andere  „neue Menschheit” suchen, eine Menschheit, die, obwohl sie auf der Erde lebt und sich des Erdenlebens freut soweit dies möglich ist, doch  längst  nicht mehr allein  „von dieser Erde” ist! –

 

   Wir  müssen  den  Menschen zu  einer tieferen Quelle des Glückes führen,  einer Quelle,  die  reichlicher fließt, wenn wir jenen, vom Wahne  irdischen Glückes betörten  „Freunden der Menschheit’” wahrhaft brüderlich zur Seite treten wollen. –

 

   Wir  müssen sie von sich  selbst  und ihren  Träumen  erlösen,   wenn  wir die Wahrheit,  die sie  dumpf  erfühlen  und dann in  sterile Gedankengebäude bannen wollen, wirklich der Menschheit, nutzbar machen  sollen. – – –

 

   Zwar  liegt es  nicht im  Bereich  der Möglichkeit,  daß  ein  wahrhaft  gerechter Mensch  jemals Gerechtigkeit  für alle schaffen könnte, doch jeder Einzelne kann Rechtlichkeit erstreben, und damit einen Ausgleich schaffen helfen, gegenüber jenem Unrechtswillen,  den  auch  Götterkräfte nie aus diesem Erdendasein tilgen könnten. – – –

 

 

   „Das Glück  der Menschheit”  ist ein Glück der Einzelnen, und in der Seele eines jeden Menschen allein nur erreichbar. –

 

   Die „neue Menschheit”, die auf dieser Erde einst erstehen kann,  wird ganz gewiß ihr Glück nicht mehr von außen her erwarten. – Sie wird erkennen, daß die Dinge dieser Außenwelt nur  sind, was wir aus ihnen machen, und daß  sie nur insofern uns bestimmen können,  als wir  uns bestimmen  lassen…

 

   Die innere Welt des Einzelnen muß eine Welt des Friedens und des reinen Glückes  werden, und hier  allein nur kann der Mensch der Erde wahrem Glück begegnen. – – –

 

 

   Wie dieses Glück des Einzelnen zu finden  ist, das zeigt die Lehre, die in diesen Büchern sich entrollt.

 

   Daß die Befolgung  ihrer Winke auch das Leben  in der Außenwelt weit glücklicher gestalten  kann, wird keiner leugnen wollen, der einmal erkannte, daß das ganze Leben dieser Außenwelt nur unsichtbarer Kräftewirkung Zeugnis  ist. – –

 

   Von Innen her muß alles keimen, was im irdisch-äußerlichen Dasein wirkliche Beglückung bringen soll. –

 

   Im  Äußeren  ist  nur  das  Reich der Wirkung jener Kräfte, die allein  in tiefster  Seele ankern.

 

   Wer hier im Äußeren zu bessern sucht, der wird nur Schein-Erfolge ernten, wird nur dem Augenblick Beglückung schenken, und  was er wirkte, muß gar bald  in sich zusammenfallen, da die Wurzelkräfte fehlen,  die es in der  Außenwelt erhalten könnten. – –

 

 

   Möchte  doch  dieses  „Buch  vom  Menschen” vielen die Augen öffnen, die, erfüllt vom besten Streben, heute noch dabei sind, ihre Kräfte  zu  vergeuden, weil sie in der Außenwelt das  „Glück der Menschheit” zu erreichen hoffen!

 

   Möchten doch jene, die  heute von früh bis  spät  nach  Rettung  und  Hilfe  Aus-Schau halten, endlich zur Ein-Sicht kommen!

 

   Nur wenn die Innen-Schau das Spähen nach außen ablöst, kann auch im Äußeren der Menschheit Dasein menschenwürdig  werden. – – –

 

   Dann erst kann mancher  „Zukunftstraum”  erfüllbar sich gestalten, der durch die Mittel,  die man bis zu diesen Tagen anzuwenden liebt, nur in Gefahr  kommt, sich in Dunst und Nebel aufzulösen. – –

 

 

   Die „alte Menschheit” hat es gut verstanden, die Außenwelt in ihren Dienst zu zwingen, doch da sie  nur von außen „zwingen”  kann,  droht sie den Kräften zu erliegen, die sie selbst zu ihrem Dienst entfesselt hat. –

 

   Die „neue Menschheit” wird nicht mehr von  außen zwingen wollen,  was sie  weit ersprießlicher  von innen her  zu lenken lernen wird. –  –

 

   In jedem Einzelnen der „neuen Menschheit” werden  sich Kräfte  offenbaren,  die alles in den Schatten stellen, was der Mensch der „alten Menschheit”  stolz  als „geistige Errungenschaft”  bewunderte, – in seinem Innern nicht bewußt, daß alles Denken nie den „Geist” erfassen kann, der, wirkend wie die Kraft des  Blitzes, alle Welt  erfüllt,  und  der dem Menschen nie  durch Denken, nie durch äußere Mechanik dienstbar wird,  des Spottes  spottend, den der „Geist” so  mancher „Denker” seiner Wirklichkeit entgegensetzt. – – –

 

 

   Zu  weit  von jeder  Illusion entfernt, weiß  ich gewiß, daß der  wirkliche  Geist weder heute noch morgen allerorten sich offenbaren  kann,  denn systematisch hat die alte Menschheit alle Schächte zugeschüttet, durch die der Mensch der Gegenwart in sich die Tiefe finden könnte, in der die Quellen alles Werdens rauschen.

 

   Doch einmal werden diese Quellen sich erneut  erschließen,  und  die  alsdann aus ihnen schöpfen können,  werden gar manches durch des wirklichen Geistes Kraft vermögen, was heute mit aller Denkkraft der Gehirne nur vergeblich erstrebt  wird.

 

   Auch dann jedoch wird diese Erde nicht zum „Himmel” werden, und unbezwungene Kräfte werden  stets die Mehrzahl der Menschen in Banden halten. – –

 

 

   Die „neue Menschheit” wird ein Reich der Erwählten und Berufenen sein, und Einzelne sind bereits heute schon dabei, dieses Reich in sich zu gründen.

 

   Es ist  immerhin  möglich,  daß diese Generation seine ersten Spuren erleben mag, – doch sicher werden die Kinder unserer Kinder einst von seinen Kräften wissen, wie wir heute jene Kräfte kennen, die der Mensch der alten Menschheit der Natur entrissen glaubte, weil er sie mit List, von außen her, in seinen Dienst zu stellen wußte.

 

   Die heiligen Bücher alter Tage  künden jedoch  mit Recht ein Reich der „Kinder des Lichtes” und ein Reich der „Kinder  dieser Welt” der unausgleichbaren äußeren Kräfte, und Einer, der es wahrlich  wissen konnte, sagte: „Die Kinder dieser Welt sind in ihrer  Art klüger, als die Kinder  des Lichtes!”

 

   Es  wäre zu  wünschen,  daß auch  die „Kinder  des Lichtes” in ihrer Art „klüger” würden und den Bann zu brechen wüßten,  in  dem sie durch  die  „Kinder dieser Welt” gefesselt sind!