Das Buch vom Jenseits:

Die Kunst zu sterben

Du  wirst  gewiß glauben, es sei keine „Kunst”,  zu  sterben, –  es sei vielmehr ein böses Müssen,  und es lerne sich von selbst. – –

 

   Gleich dir  denken  Unzählige, und tagtäglich verlassen Unzählige durch ihr Sterben den irdischen  Körper,  ohne  daß  sie jemals  die  Kunst   des  Sterbens  gelernt hätten.

 

   Vielen kommt der Tod unerwartet „wie ein Dieb in der Nacht”, – anderen kommt er wie  ein gefürchtetes Gespenst,  –  anderen  als endlich erscheinender Erlöser von ihren Leiden,  – und wieder andere rufen ihn  selbst  herbei,  weil sie durch ihn  Befreiung  von Sorge und Not, Leibes und der Seele, erwarten.

 

Selten aber trifft der Tod einen,  der die  Kunst zu sterben versteht. – –

 

 

    Um diese Kunst zu verstehen, mußt du  zu  lebensfrischer Zeit gelernt haben, was  der  „Tod” ist, was „Sterben” bedeutet!

 

    Du mußt gleichsam  in der Fülle deiner  Kräfte „auf  Probe”  sterben, damit du zu  sterben verstehst,  wenn  der  Tod  dich  überrascht. – –

 

    Sterben ist nicht  ganz  so leicht, wie  viele meinen, aber  es ist auch nicht allzu  schwer, wenn man es  vorher in krafterfüllter Zeit gelernt hat…

 

   Jede Kunst will geübt sein, und  ohne Übung lernt  man  auch  nicht  das Sterben.

 

   Gleichwohl hat man es eines Tages durchzumachen, ob man es nun  versteht, oder nicht. –

 

   Die  meisten Menschen fürchten  sich vor dem Sterben, weil sie nicht recht  wissen,  was dabei vorgeht.

 

   Jene aber, die sagen,  sie fürchteten sich nicht, gleichen Kindern  die in einem Boot aufs hohe Meer hinausfahren,  ohne die Gefahren des Meeres zu kennen. – –

 

   Du aber sollst wie ein Steuermann sein, der Winde und Strömungen kennt, und der da weiß, welche Länder ihn auf der anderen Seite des Meeres erwarten.

 

   Du sollst lernen, den Kurs  deiner wohlausgerüsteten Barke zu bestimmen.

 

 

   „Sterben” nennt man das Aufgebenmüssen  des  irdischen Leibes  und seiner Sinnesorgane,  wenn  dieses Aufgeben  für immer  und ohne Widerruf erfolgen muß, weil der Leib aus physischen Gründen nicht mehr  imstande ist, sich zu erhalten.

 

   Ein sehr ähnlicher Vorgang erfüllt sich jedesmal  wenn du dich zur Ruhe  niederlegst und dem Schlafe  überantwortest,  – nur verlierst  du dabei bloß zum Teil die Herrschaft  über Leib und  Sinne, während sie dir im Tode vollständig und unwiederbringlich  verlorengeht.

 

   Du siehst,  wie Natur dich gleichsam auf solche Weise  selbst das  Sterben lehrt!

 

   Du kannst das Sterben auch ähnlich voraus erfahren  bei einer Ohnmacht, oder bei künstlicher Verdrängung des  Bewußtseins aus deinem Körper.

 

   Allein du  erfährst bei  alledem  immer nur den  allerersten Teil des Vorganges, – es  sei  denn,  deine inneren, geistigen „Sinne” wären bereits soweit in dir erwacht, daß du „auf der anderen Seite” des Daseins zu dir selber kommen kannst, und dich dann, zu  deinem Erstaunen, auch ohne den Körper der Erde im Leben findest…

 

   Besitzest  du diese Erfahrung aber noch nicht, dann können dir deine Träume im nächtlichen Schlafe dazu dienen, dir wenigstens ein Verstehen des bewußten Lebens ohne physischen Körper zu vermitteln, obwohl das „jenseitige” Leben wahrlich  Anderes ist als  nur ein „Traum”. –

 

   Ich muß  hier  nur  an  das  Leben im Traume erinnern um deinem Verstehen zuhilfe zu kommen.

 

   So, wie du im Traume dich bewußt, empfindungsfähig, denkend und  handelnd findest, – so, wie du auch im Traume in einem „Körper” lebst und ihn frei gebrauchst, obwohl dein physischer Leib ruhig auf seinem  Lager  im tiefen Schlafe  liegt, – so findest du dich auch körperlich gestaltet, bewußt, empfindend, denkend und  handelnd, wenn du  auf der anderen Seite des Daseins deine geistigen  „Sinne” gebrauchen kannst und dadurch  dort zu dir selbst kommst,  sei es nun bloß  vorübergehend, oder –  wie im Tode des Erdenleibes  –  für die  Dauer.

 

   Ein wesentlicher Unterschied besteht nur darin, daß du im Traume lediglich die stets wieder zerfließenden Gebilde deiner plastischen Phantasie erblickst, die durch tausend physische  und psychische  Anreize scheinbares Eigenleben gewinnen, während  du, um wach  zu  werden in  der objektiv gegebenen geistigen Welt,  – gleichviel  in welchem ihrer Bereiche  dein Erwachen erfolgen kann, – das Reich der Träume ebenso verlassen  mußt, wie du  es verläßt um wach zu werden in der  physisch-sinnlichen Erscheinungswelt. –

 

 

   Hast du das Reich der Träume „überstiegen”, dann erst betrittst du das Reich des Geistes,  das unschwer auch von deinen lebhaftesten und „natürlichsten” Träumen zu unterscheiden ist,  denn du bist dort vermöge deiner  geistigen Sinne in einem Zustand des Bewußtseins, dem gegenüber selbst das wacheste Tagesleben auf dieser Erde nur wie ein Schlafwandeln erscheint. –

 

   Du siehst, hörst und  fühlst die gleiche ursächliche „Welt”,  die du  im tagwachen Bewußtsein deines physischen Daseins als physische Erscheinungswelt  wahrnimmst, – nur empfindest  du sie „von der anderen Seite”. – –

 

   Die dir im physischen Erdenkörper unwahrnehmbare  Gestaltung  der ursächlichen, wesenhaften Welt ist dir plötzlich wahrnehmbar geworden, und die nur  physisch-sinnlich  wahrnehmbaren Dinge, die du  bisher die  „reale”  Welt nanntest, werden  dir: – „leere Luft”. –

 

   Wenn  es auch relativ wenig Menschen sein  mögen, die diesen Zustand, noch im Erdenleibe lebend, in sich  erfahren haben und auch in der gegenwärtigen Zeit erfahren, so sind es doch viel  mehr als man ahnt, denn  die meisten Menschen denen solches Erleben wurde, verbergen es instinktiv vor Anderen, sei es  aus Furcht vor dem Unglauben ihrer Mitmenschen und dem von ihnen zu erwartenden „Fluch der Lächerlichkeit”,  oder  aber  aus Besorgnis, das geistige  Erleben, das als  besondere Begnadung  empfunden wird,  könne entzogen werden, wenn man nicht  zu schweigen verstünde.

 

 

   Es sind  zuerst noch  keineswegs  hohe geistige Bereiche, die von solchen innerlich bewußt Erlebenden betreten werden können, allein es ist  stets doch bereits „das andere Ufer” erreicht,  auch wenn die dort zum Bewußtsein  Erwachten  noch  lange  nicht fähig  sind, ins „Innere”  des  entdeckten „Landes” vorzudringen, oder gar seine  ragenden „Gebirge”  zu  ersteigen. –

 

   Dahin gelangen  während des Erdenlebens  nur  die  überaus Wenigen,  denen hier auf dieser physischen Seite der ursächlichen Welt das  uralte „Erbgut” verborgener  geistiger  Erfahrung  anvertraut wurde: – die geborenen „Hohenpriester”, – die „Meister”  des verhüllten geistigen Wirkens und  ihre  als solche geborenen, legitimen  Nachfolger.

 

   Was  uns  in  bewußtem Erleben  des „Jenseits” zu gesichertem Erfahrungswissen wurde, wird dir hier gegeben!

 

 

   Wir sehen  täglich  und  stündlich Tausende von Menschen „das andere Ufer” für die Dauer  betreten,  ohne  daß wir  ihnen helfen  könnten,  denn sie  verstanden  in ihrem Erdenleben nicht die Kunst des Sterbens, und so kommen sie unbereitet am „anderen Ufer” an, wie Schiffbrüchige, die der Sturm ans Land wirft…

 

   Ratlos  irren sie  in der ihnen neuen Daseinsform  umher  und sind nicht imstande, die helfenden Hände zu ergreifen, die sich ihnen entgegenstrecken.

 

   Noch fehlt ihnen jegliches Urteil, ob das, was ihnen begegnet, Gefahr oder Hilfe bringt, und  angstvoll  schrecken sie  zurück, will einer, der sie leiten könnte, ihnen nahen…

 

   So  irren  sie allein  weiter, stets  nahe dem „Strande” des Meeres, das sie, – wenigstens für ihr Gefühl, – noch mit der verlassenen physischen Seite des Daseins verbindet,  bis sie, gleichsam „magnetisch” angezogen, eines jener kleinen „Strandreiche”: – jener niedersten Gebiete der  irdischen Sinnen unerfaßbaren geistigen Seite des Kosmos  entdecken, das ihren Vorstellungen, ihrem  im physischen Erdenleben  gehegten Sehnen und Hoffen entspricht.

 

   Dann wähnen sie, ihren „Himmel”  gefunden  zu haben, umsomehr, als  dies von allen  anderen die  sie alldort antreffen, ja ebenfalls geglaubt wird…

 

   Die einmal  da anlangten, sind  ihrem Schicksal  für  unendlich  lange  Zeit  verfallen.

 

   Nur äußerst selten, und dann nur unter größten  Schwierigkeiten,  gelingt  es  uns, einen  so  Verirrten empor- und herauszuziehen  aus  seiner selbsterwählten  trügerischen „Seligkeit”. –

 

   Da wir aber Umwege  vermeiden lehren wollen, und  da uns  die ewige Liebe also handeln heißt, lehren wir euch die Kunst des rechten  Sterbens.

 

 

   Das Wesentliche  dieser Kunst besteht darin, daß man  jederzeit, –  inmitten von Zukunftsplänen und regester Tätigkeit, bei blühender  Gesundheit  und frischester Kraft,  – in fröhlicher Heiterkeit und sicherer Zuversicht bereit  ist, das „andere Ufer” für die Dauer zu betreten, – ohne die Möglichkeit einer  Rückkehr.

 

   Es  ist ein Zustand des Gemüts, der da gefordert wird.

 

   Mag er auch nicht jedem Menschen leicht erreichbar erscheinen, so darf doch keiner vergessen, daß dieser Zustand allein das rechte  Sterbenkönnen bedingt. –

 

 

   Wen  die Dinge des  physischen Erdenlebens  so festzuhalten vermögen, daß er ihrer nicht  entraten  zu  können meint, – wer  sich  keinen  Zustand vorstellen  kann, in dem  alle Ziele erdenhaften Begehrens belanglos werden,  –  der wird schwerlich die Kunst des rechten Sterbens erlernen. –

 

   Richtig und froh auf der Erde zu leben, versteht  aber erst der Mensch, der den Zustand  der Bereitschaft zu sterben, täglich und  stündlich  willkürlich  in sich zu  erzeugen vermag, – frei von jeglicher Furcht und  von jeder Traurigkeit. – –

 

   Er  weiß,  daß nichts von  dem, was er hier  zurücklassen müßte, –  und seien es auch die liebsten Menschen, die sorgebedürftigsten Wesen, – jemals von ihm getrennt werden kann, wenn er nicht selbst die wirkliche Trennung will und durch seinen  Willen schafft. –

 

   Er  weiß, daß er „hier” bleibt, am gleichen kosmischen „Ort”, – noch näher den Menschen die er liebt,  als er  ihnen je im Erdenkörper  nahekommen konnte. –

 

   Er weiß, daß  er nach dem Sterben gewiß nicht göttergleich verwandelt,  und keineswegs irdisch „allmächtig”  sein  wird, daß er aber denen, die seiner Hilfe bedürfen, weitaus mehr zu helfen imstande sein wird, als dies jemals im physischen Leben möglich werden konnte. – –

 

   Wer die Kunst des Sterbens auf  solche Weise  übt, der weiß fortan, daß es für ihn leicht  werden  wird, wirklich  und  unwiderruflich zu  sterben,  auch wenn  der Tod ihn gänzlich unerwartet treffen sollte…

 

 

   Daß der physische Vorgang des Sterbens nur  für den Zuschauer unter Umständen qualvoll ist, daß aber der Sterbende selbst nicht  darunter  leidet,  sondern die Schmerzen seines  etwaigen Leidens nur solange noch fühlt, solange er noch nicht gestorben ist,  hat die prüfende Beobachtung ärztlicher  Forscher längst bezeugt.

 

   Wir aber  haben hier nur darzustellen, auf  welche Weise das  Bewußtsein  des Sterbenden den Akt  des Sterbens überdauert.

 

 

   Ist der Sterbende auch bis zum letzten Augenblick vollbewußt,  so tritt dennoch im Moment  der   beginnenden  Loslösung  des geistigen Organismus  von  dem  bis  dahin ihm  vereinten, tierhaften Erdenleib, eine Art des , „Schlummers” ein, aus dem das Bewußtsein erst  wieder zu sich selbst erwacht, wenn das „Sterben” bereits  vollzogen ist.

 

   Im  Augenblick  dieses Erwachens, das einige Sekunden  oder  Minuten  nach dem äußerlich  konstatier baren „Tode”  erfolgt, findet  sich der Mensch bereits in seinem, ihm  nun allein noch Erfahrung vermittelnden  geistigen  Organismus  auf der  nur geistig wahrnehmbaren  „anderen  Seite” der  ursächlichen Welt:  – der  ewigen „Wirklichkeit”, die alle geistige, wie alle physische Daseinsform aus sich ausstrahlt, je nach der  sie  erregenden  Anschauungsweise.

 

   Die  bisher durch  seine  physischen Sinne bedingte Wahrnehmungsfähigkeit des nun Gestorbenen wurde vertauscht mit einer neuen, ihm vorher normalerweise noch nicht bekannten Art des Wahrnehmens,  während seine formzeugende  Anschauungsweise vorerst noch unverändert bleibt.

 

   Er  ist weit davon  entfernt,  sich etwa für gestorben zu halten, denn er findet sich ja seiner selbst bewußt,  wollend,  und wahrnehmungsfähig, wenn er auch noch nicht erkennt,  daß es geistige Organe sind, die allein ihm jetzt dienen.

 

   Er empfindet sich keineswegs als „gestaltlos”, denn sein bisheriger physischer Körper war ja nur ein mehr oder weniger vollendetes Abbild des durch  eigenen ewigen Willen, – wenn auch dem Gehirnwissen „unbewußt” –  gestalteten geistigen  Organismus, den jetzt das Bewußtsein wahrzunehmen  fähig  wurde,  obwohl es  ihn noch nicht als ein vom physischen Körper Verschiedenes erkennt.

 

   So  aber, wie der physische Schmerz sofort  aufhört,  sobald durch entsprechende Mittel ein schmerzendes Glied des irdischen Leibes  unempfindlich gemacht wird,  – so sind auch  die  physischen  Schmerzen,  die etwa ein  Sterbender noch kurz vor seinem Tode erlitt, im Augenblick des „jenseitigen” Erwachens  völlig  verschwunden, da ja der physische Körper, in dem die Ursache der Schmerzempfindung liegt, nun dauernd von dem nunmehr nur sich allein empfindenden geistigen Organismus getrennt bleibt. –

 

 

   Noch aber ist eine gewisse „fluidische” Bindung durch unsichtbare, subtile und auch dem geistigen Organismus  fühlbare, feinmaterielle Ausstrahlungen  des  bisher  gebrauchten  physischen  Körpers  vorhanden, und  diese Bindung ist  Ursache, daß der jenseitig Erwachte noch mancherlei Vorgänge in der Nähe des  Leichnams auf geistige Weise wahrnimmt, obwohl sie  in der physischen Welt  geschehen.

 

   So empfindet  der nun „Jenseitige” die „fluidischen” Influenzen aus der Gegenstrahlung der Menschen die  seinen verlassenen Erdenkörper umgeben, empfindet den „Gefühlswert”  ihrer  Berührungen, wie ihrer Worte, und  hat, ähnlich wie ein Blinder, noch ein ziemlich genaues Vorstellungsbild des verlassenen äußeren  Raumes, –  wenn auch die Täuschung besteht,  als werde der Raum  noch mit  den physischen  Sinnen wahrgenommen.

 

   Diese letzten Beziehungen zur physisch-sinnlichen  Seite der ursächlichen Welt bleiben noch einige  Zeit erhalten, wenn auch die Leiche  längst  erkaltet  ist,  aber was solcherart noch  empfunden  werden  kann, verliert von  Stunde zu  Stunde an Kraft, und die Wahrnehmungsfähigkeit dafür hört vollständig auf, sobald die ersten Zersetzungserscheinungen beginnen.

 

   Denen, die  an dem  Akt  der Leichenverbrennung Anstoß nehmen, oder  die  gar glauben, der Gestorbene  könne dadurch in seinem jenseitigen Leben  „geschädigt” werden, sei hier gesagt, daß nach der Zeit,  die in den Kulturländern eingehalten wird,  bevor man  einen  Leichnam bestattet,  längst jegliche Wahrnehmungsbeziehung zwischen dem geistigen Organismus des Gestorbenen und seinem  ehemaligen  Erdenleibe  aufgehört hat.

 

    Wo aber Feuer als  Ursache des Todes wirkt,  dort wird, wie  bei jeder anderen Todesursache, Schmerz  nur  bis zum  Verlust des  physisch  gebundenen  Bewußtseins empfunden, während nach dem jenseitigen „Erwachen”  jede Beziehung  zum früheren  Erdenkörper  erloschen ist, durch die Zersetzung,  die das Feuer bewirkte.

 

 

    Was  nicht  erlischt, ist das  nun durch den geistigen Organismus empfundene Bewußtsein  der eigenen Gegenwart, und das klare  Sehen und Erkennen  aller physisch gegenwärtigen Menschen in ihren geistigen Formen,  die ja  – abgesehen von den physischen Behinderungen  ihrer Darstellung auf Erden –  durchaus  den  irdischen Formen entsprechen.

 

    Gestorbene,  deren Bewußtsein während ihrer Erdentage nur  wenig über  den Bereich des physisch-tierhaften Daseins hinaus wuchs, täuscht der neue Zustand oft so sehr,  daß sie auch noch  längere Zeit nach ihrem  Erdentode nicht bemerken, daß  sie  nicht  mehr im  physischen  Leibe  sind.

 

    Sie  wähnen  sich  nur „genesen”, da ja die frühere Ursache ihrer Leiden nicht mehr besteht.

 

    Vorerst noch in eine Art traumhaften Vorstellens irdischen Erlebens gebannt, mischt sich ihnen die Wahrnehmung der geistigen Form ihrer Angehörigen mit den selbsterzeugten  Gestalten des eigenen Traumlebens, und die Gestorbenen begreifen nicht, weshalb man um sie trauert.

 

    Sie versuchen dann oft mit allen Kräften,  die wirklich im  physischen Dasein Trauernden zu  überzeugen, daß kein Grund zum Trauern bestehe, – allein dieses Bemühen wird in der  Erregung des Schmerzes  von den im Physischen Zurückgebliebenen nicht empfunden.

 

   Erst in der Machtlosigkeit  über solche vermeintliche  Torheit  seiner  Angehörigen und Freunde entdeckt dann plötzlich der Gestorbene, daß er nicht mehr mit einem physischen  Körper  behaftet ist,  und erwacht so aus seinem selbstgeschaffenen Traum.

 

     Dann erst beginnt er wirklich „sehen zu lernen”, und seine geistigen Augen  öffnen sich für die neue geistige Seite der ursächlichen Welt, deren physisch-sinnlichen Anschauungskreis er verlassen  hat, ohne  den kosmischen „Ort” zu wechseln.

 

 

      Hier fängt dann für jene, die nicht „die Kunst des Sterbens” während  ihrer Erdentage übten, das geistige Irren an, denn der geistige Organismus eines Menschen wird durch den  Tod keineswegs etwa  über die bis dahin erlangte Sicherheit im  Erkennen hinaufgesteigert.

 

   Zwar sind sogleich hilfreiche Helfer nahe, aber sie werden nicht als solche erkannt.

 

     Statt dessen werden sie von dem in seine physisch-irdischen Meinungen noch verrannten Gestorbenen sehr entschieden und selbstbewußt abgelehnt, so daß sie an aller Hilfeleistung verhindert sind.

 

     Die  Gewißheit, das „jenseitige”  Leben tatsächlich  erlangt zu haben, erweckt  auch nicht selten  einen grenzenlosen  Hochmut, der die von  ihm  Befallenen erst recht in ihren Torheiten bestärkt.

 

     Wer ganz ans Irdische verhaftet war, oder zu sehr mit  seinen Sorgen an  Dingen und Menschen hing, zu denen er nun nicht mehr, physisch  wirkend, zurückkehren  kann, wird bei der Einsicht in die Unmöglichkeit des Zurückkehrens von einer qualvollen Verzweiflung erfaßt, die erst durchgekämpft sein will, bevor er fähig wird, seine neuen Wirkungsmöglichkeiten gegenüber der irdischen Welt, die  nun rein geistiger Art sind, zu erkennen. –    

 

Solche aber, die im physischen  Leben ganz mit dem Streben nach  irdischer Verwirklichung einer „Idee”, und  mit den in solchem  Streben  erzeugten  Vorstellungen verwachsen waren, verlieren  ziemlich bald fast alles Interesse an der verlassenen physischen Welt.

 

Sie suchen nur nach einer Gelegenheit, ihre „Idee”  nun innerhalb  ihres neuen Lebensbereiches verwirklichen zu können und  sind  blind gegenüber  allen neuen Erlebnismöglichkeiten.

 

Andere wieder  suchen  nach  der  ihnen verheißenen und von ihnen  gläubig erwarteten  „Seligkeit”, und sind nicht  wenig erstaunt, sie nicht sofort, und in der Form, die sie  sich auf Erden doch so  schön erträumten, im „Jenseits” gefunden zu haben.

 

Allen diesen,  mit sich selbst und  dem eigenen mitgebrachten Vorstellungsleben Beschäftigten wird schließlich eine Art Erfüllung ihrer Wünsche, indem sie in eines jener niederen geistigen Reiche gelangen, deren unbewußte Mitschöpfer  sie schon auf Erden waren…

 

 

Auch dieser Übergang ist keine „Ortsveränderung”, denn  alle geistigen  Welten, – und  es gibt deren unzählige,  bis hinauf zu der höchsten und reinsten Welt gottgebärenden Geistes, – sind, einander durchdringend, am gleichen kosmischen „Ort”. –    

 

Das  bewußte Erleben  geistiger  Welten, sowie der Übergang aus einer  in  die andere, ist jeweils von einer gewissen Wahrnehmungswandlung abhängig, die  das  geistige Bewußtsein für bestimmte Erscheinungen  gleichsam „blind”, für andere dagegen „sehend”  macht.

 

   Aber gerade diese Wahrnehmungswandlung läßt sich  nicht willkürlich  hervorrufen, außer von den Meistern der ewigen Darstellung des  Menschen  im  höchsten geistigen  Reiche, oder ihren Beauftragten: ihren erwählten Schülern, soweit deren eigene psychophysische Veranlagung dazu geeignet ist.

 

   Jeder Mensch aber, auch wenn er nicht zu den hier bezeichneten Wenigen  gehört, kann sich doch immerhin in der Vorstellung  mit den Gefühlen, Empfindungen und Bewußtseinszuständen vertraut zu machen suchen, die ihn, entsprechend den hier von uns gegebenen Aufschlüssen, nach dem Tode des Erdenleibes erwarten.

 

   Ich lasse unbesorgt den Einwand gelten, daß ein solches gewolltes Erregen des Vorstellungsvermögens doch  immer nur bloße „Bilder” hervorbringen könne, aber keinesfalls  zu  einem  Erleben des  wirklichen nachirdischen Seins zu führen vermöge.

 

   Eben darum verlange  ich ja, daß man sich  bei  der Gestaltung  der hier  nötigen Vorstellungsbilder  strengstens an die Darstellungen halte, die ich in diesem Buche gebe, denn  nur sehr wenigen  Menschen ist es möglich,  schon während ihres Erdendaseins den Bereich nachirdischen Seins bewußt kennenzulernen, während es  allen Menschen möglich  ist, durch das Erwecken wirklichkeitsentsprechender Vorstellungsbilder die Gefühle, Empfindungen und  Bewußtseinszustände, die nach dem irdischen Tode zu erwarten sind,  gleichsam im voraus zu durchleben.

 

   Ein solches, öfteres Vorauserleben aber ist nötig, will man sicher sein,  daß man nach dem erfolgten Abscheiden des Bewußtseins  aus der  erdensinnlichen Erfahrungsweise sogleich sich zurechtzufinden  wisse, und  vor allem erkenne,  was zu suchen, was zu meiden sei!

 

   Nur wer solche Sicherheit bereits während seines Erdendaseins erlangte, wird nach dem Übergang in die neue, rein  geistessinnliche Wahrnehmungsart auch sogleich die helfenden Hände entdecken, die sich  ihm  dort  entgegenstrecken,  und wird vertrauend sie  zu  ergreifen wissen…

 

 

   Ihm können wir helfen!

 

   Er  wußte die Kunst des  Sterbens während seiner Erdentage schon zu „erlernen”, und  sein  Vertrauen  auf unsere Belehrung ließ  alle Erkenntnisfähigkeit in ihm reifen, deren er nun  bedarf.

 

   Vor jeglicher Täuschung und Enttäuschung wird er nunmehr  gesichert sein!

 

   Ihn  führen  wir – vorbei an  den mancherlei  „Strandreichen”,  die irdisches Erträumen und Wähnen sich durch die Kräfte des mißleiteten Willens schuf – sogleich in das „Innere” des nun betretenen „Landes”, allwo liebevolle Leitung ihn dann näher und näher seiner Vollendung  bringt.

 

   Er ist ja durch das Aufgeben seines irdischen  Leibes durchaus  kein  „Anderer” geworden!

 

   Es kann ihm  nicht plötzlich gegeben werden, was ihm  noch fehlt. –

 

   Nur  was er auf  Erden bereits zu erlangen  wußte, bringt er mit, als  Besitz.

 

   Was  er auf Erden zu binden verstand, bleibt auch im geistessinnlichen Leben für ihn „gebunden”, und was er im  Erdenleben zur Lösung brachte, bleibt auch jetzt für ihn  „gelöst”…

 

 Allmählich nur kann man ihn immer höher führen,  bis er dereinst fähig wird, das erhabenste aller geistigen Reiche zu betreten: – die reine Licht weit seligster und absoluter  Erfüllung. – –

 

Die  „Zeiten”,  die zu  diesem Aufstieg nötig sind, werden bestimmt durch den auf Erden bereits erreichten Grad relativer geistiger Vollendung und durch die aus solcher Vollendung heraus erfolgte Abgeklärtheit des ewigen Willens, innerhalb seiner Bewußtseinsempfindung.

 

 

Das „Sterben”  aus  der irdischen Erfahrungsweise in die geistig-sinnliche Wahrnehmungsart vollzieht sich zwar auch ohne deine Absicht, und was dich „jenseitig” erwartet, wird da sein, auch wenn du an kein „Jenseits” glaubst.

 

Es ist  deinem  ewigen Willen aber eine große Macht eingeräumt,  da du fähig bist, durch Vorarbeit hier  auf  der  physisch wahrnehmbaren Seite der  Welt,  all  dein weiteres  Schicksal  sehr wesentlich  zu bestimmen.

 

Voraussetzung ist allerdings ein verantwortungsbewußter  Lebenswandel,  stets orientiert nach dem  hohen  geistigen  Ziel, das nur  in der uneigennützigen Liebe zu allem Lebendigen erreichbar wird.

 

Auf der  „anderen Seite” der  Welt, – dort, wo nur mit geistigen Sinnen wahrgenommen wird, –  herrscht nicht  nur die „Wonne  der Seligen”. –

 

Es  gibt dort wahrlich  auch Reiche der Qual und Verzweiflung, der zehrenden Reue, und  des Wunsches  nach Selbstvernichtung,  obgleich  diesem  Wunsche niemals entsprochen  werden kann…

 

Durch diese Reiche aber  müssen unfehlbar alle  hindurch,  die hier auf Erden das Gesetz nicht erfüllen, das Liebe zu sich selbst und allen Mitgeschöpfen von jedem Erdenmenschen verlangt.

 

    Solche „Liebe”  ist sehr weit entfernt von jeglicher Art sentimentaler Schwärmerei und allem Gefühlsüberschwang!

 

    Die hier gemeinte, durch geistiges Gesetz geforderte  Liebe  ist vielmehr die  höchste und stärkste Selbst- und Allbejahung so daß der  von ihr durchdrungene Mensch sowohl  in  sich selbst wie in allem Mit-Dasein nur das  Positive, das Geistgewollte erfühlt, auch dann, wenn er sich genötigt sieht, sich aufs schärfste der gleichzeitig wirksamen negativen Kräfte  der gleichen Erscheinung zu  erwehren. – –

 

    Schwersten Verstoß  gegen das  geistige Gesetz von dem hier die Rede ist, begehen alle, die auf Erden Hand an ihr Leibesleben legen,  um  aus  irgend  einem Grunde dem irdischen Dasein und  seinen Forderungen feige zu  entfliehen.

 

   Solches  Tun ist überdies  sinnlos und zweckwidrig,  denn  statt der gesuchten Befreiung findet der durch eigene Hand irdisch Entleibte tausendfach qualvollere Fesselung in wahrlich nicht gewünschte Bewußtseinszustände, denen  er nun Aeonen hindurch nicht  mehr entfliehen kann.

 

   Es liegt ein gewisser Trost für die Zurückbleibenden in der  Tatsache, daß die allermeisten Morde am eigenen Leben von Menschen begangen werden, deren Bewußtsein  im entscheidenden Moment krankhaft umdüstert ist, so daß die furchtbare Verneinungstat in einem Zustand erfolgt, den man wohl als  spontan einbrechenden Wahnsinn bezeichnen darf, auch wenn dieser Zustand seit langem vorbereitet wurde, durch ein verantwortungsloses  „Spielen” mit  dem Gedanken an  die  Möglichkeit der Leibeszerstörung.

 

   Mörder und  Gemordeter  sind zwar in solchem  Falle in  einer Person  „in Erscheinung”  gewesen, aber der Mord ist das  Werk eines  übermächtig  gewordenen Gedankens,  den das  Opfer solange mit seinen eigenen Kräften belebte, bis er es zuletzt verschlang. –

 

    In  solchem Falle trägt  dann  der  Zerstörer  seines Erdenleibes  nicht die Verantwortung für den Akt des Mordes, sondern das geistige Gesetz erheischt von  ihm Ausgleich für alles verkehrte Denken und Handeln, aus dem zuletzt die Tat im Wahn erwuchs. –

 

    Dieser Ausgleich ist zumeist nur erreichbar durch  das Ertragen einer zweiten Einverleibung in den  tiermenschlichen Körper auf der Erde.

 

    Es  handelt  sich  hier  um einen jener Ausnahmefälle,  in denen  allein die sogenannte  „Reïnkarnation” als Möglichkeit in Betracht kommt, während sie bei gesetzesgemäßem  Ablauf des  irdischen  menschlichen Lebens, eben durch den vollzogenen Ablauf, ein für allemal unmöglich wird.

 

 

   Obwohl aber die Nützung des Erdenlebens  zur Vorbereitung  auf nachirdische Bewußtseinszustände von  größter  Wichtigkeit ist, sollst du doch keineswegs glauben, du müßtest nun auf dieser Erde das ängstliche,  stets um gesichertes „Seelenheil” besorgte Leben eines kleingläubigen „Heiligen” führen, – eines jener Selbstsüchtigen des Herzens, die sich gar sehr jeder „Sünde” fürchten, aber innerlich frohlockend der „Verdammnis der bösen Welt” gewiß zu sein glauben.

 

   Solche Lebenshaltung würde dich nur dereinst mit  aller Sicherheit in eines jener täuschenden „Strandreiche” des Geistes gelangen lassen,  die menschlicher Wahn gestaltet  hat, ohne um seine eigene Urheberschaft zu  wissen.

 

   Ein Leben treuer Pflichterfüllung, voll Liebe zu allem Lebenden,  voll Streben nach  Herzensgüte und Wahrhaftigkeit, nach Ordnung in  deinem Willenshaushalt und  nach Veredelung deiner Freuden, – ein Leben voll fröhlichen Glaubens an die endgültige Erfüllung deiner höchsten und geläutertsten Sehnsucht, – wird jederzeit hier auf Erden  für  dich das beste Leben sein, besonders, wenn du gleichzeitig bestrebt bist, das zu lernen, was ich in dieser Abhandlung „Die Kunst zu sterben” nenne.

 

 

    ES gibt dann  freilich  auch noch einen besonderen geistigen  Höhenweg, von dem ich  schon  an anderer Stelle  sprach, aber bevor  du  dein Leben  so gestaltet hast, wie mein Rat es dich hier gestalten lehrt, wirst du  auf solchem Pfade kaum vorankommen können…

 

    Wer diesen Weg betreten will, der muß frei sein von allem, was etwa seinen sicheren Schritt behindern  könnte.

 

   Das kopfhängerische „Muckertum”  ist ebenso verwerflich, wie die hohle Geste der  ,,Weltverneinung”!

 

   Nicht allen wird der Weg schon gangbar erscheinen, auf dem der Mensch dahin gelangen kann, daß sein „Gott” in  ihm geboren wird, aber jeder  sollte  dennoch von diesem Wege wenigstens wissen, – jeder sollte sich  vorbereiten,  um ihn  hier auf Erden  schon, wenn  irgend  möglich,  auch zu beschreiten.

 

   Vielen mag zwar noch die Kraft und Ausdauer fehlen, die dort  nötig ist, aber auch alle geistigen  Kräfte wachsen durch die Anwendung, und Ausdauer ist auch hier  nur denen verliehen, die einem Tun ihre  ganze  Liebe widmen. – –

 

 

   Alles, was auf dieser physisch wahrnehmbaren Seite der Welt  gedacht, empfunden und gewirkt  wird, übt eine  stete Wirkung aus  in die „jenseitige” Welt.

 

   Die Früchte  aller Werke der Tat, die der Mensch hier im Irdischen erstehen läßt, bleiben  ihm  erhalten,  weit über  den Tod hinaus,  auch wenn seine  Werke  auf Erden nur physischen Zwecken dienen.

 

   Die moralische Verantwortungs-möglichkeit vorausgesetzt, kommt es bei all deinem Tun hier im Irdischen nicht darauf an, was du tust, sondern wie du es tust. – –

 

   Niedrigste Arbeit hier auf Erden kann dir ungeahnte   Kräfte  für  dein  späteres Leben  auf  der  geistigen  Seite der Welt zuströmen lassen,  wenn du das dir  Übertragene  nur  in  treuester  Pflichterfüllung, freudig und nach besten Kräften  also ausführst, als  sei  der  Bestand  des ganzen Weltalls allein von der  Güte  deiner Arbeitsleistung abhängig…

 

   Für dich selbst bist einzig und allein nur du  selbst verantwortlich!

 

   Bei allem was du denken oder tun magst, – bei  allem, was du auf dieser physischsinnlich erfahrbaren  Seite der Welt treibst, – bist  du stets  der  unbewußte  Schöpfer deines  späteren Schicksals in der geistig-sinnlichen Wahrnehmungswelt. –

 

 

   Was du hier  auf Erden dein „Schicksal” nennst, ist nur ein lächerlich kleiner Ausschnitt eines unermeßlichen Ganzen, und wenn du hier etwa mit deinem Schicksal haderst, so mag dein Mißmut  menschlich ja  sehr verständlich und gewiß  auch entschuldbar sein, aber dennoch gleichst du dann nur dem Kinde, das törichterweise Dinge verlangt, die ihm heute noch  nicht gegeben  werden  können, weil  sie  ihm schaden würden, während ihm später das Verlangte in reichster Fülle zu Gebote stehen wird…

 

   Erst auf hoher Stufe der geistigen Welt angelangt, wirst du dereinst dein Schicksal verstehen können, und dann wirst  du lächeln,  gedenkst  du  noch deines früheren Urteils. – –

 

   Dann wirst du  sehen, daß deine besten Verstandesgründe,  die dich ehedem zu deinem Urteil  verführten,  ebensoviele  Torheiten waren,  weil  du die Schönheit der Blüte und die süße Köstlichkeit der Frucht aus dem Wurzelgefaser erschließen wolltest, das deine Hände  aus  der dunklen  Erde wühlten.

 

   Nur  wer sich selbst zu lösen  weiß aus den beengenden Vorstellungsbildern, die ihm aus seiner physisch-sinnlichen  Anschauungsform notgedrungen erwachsen sind, der wird  allmählich auch ein  Weniges ahnen von dem großen Ganzen in dem er wurzelt, und dem er niemals mit den Mitteln  physisch-sinnlicher Erkenntnis näherkommen kann…

 

 

   Es war keine  leere  Phrase, wenn  vormaleinst  ein  Wissender, vom Glänze des Erschauten fast überwältigt, die Worte fand:

    „Kein Auge  hat  es gesehen,  kein Ohr gehört, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben!”

 

   „Gott lieben” aber heißt: – alle Mühsal  und allen Schmerz der  Erde  so  „lieben”, so willig hinnehmen, als habe man das  alles gerade so gewollt und erstrebt, wie es in unser Leben tritt! –

 

   „Gott lieben” heißt: – die Erde lieben und  alles was  auf ihr lebt, –  so, wie es ist, –  mag es unseren Wünschen auch zuwider sein! –

 

   „Gott  lieben” heißt: –  sich  selbst lieben und sich zuliebe alle Beschwernis freudig auf sich nehmen, die uns zu tragen gegeben wird auf dem langen und beschwerlichen Wege, der aus Irrung und Verwirrung zuletzt zu uns  selber führt,  so,  wie wir ewig sind in Gott! – –

 

 

   Nach alledem wirst du nun auch wissen, wie du am besten deine „Verstorbenen” ehrst: – jene, die dir vordem hier im Erdenleben nahestanden und die auch  heute noch, nach wie vor,  im Dasein sind, nur deiner  physisch-sinnlichen Wahrnehmungsfähigkeit nunmehr  entrückt…

 

   Du wirst nun wissen, wie du ihnen auch weiterhin  helfen kannst, und wie du, etwa selbst der Hilfe bedürftig, solche von  ihnen erlangst.

 

   Es  ist wahrlich  verkehrtes  Beginnen, „spiritistische Zirkel” zu errichten, um mit den der Erde Gestorbenen in Verbindung zu kommen!

 

   Die  Ehrlichkeit aller Teilnehmer und die  Sicherung  gegen jeden,  auch  unbewußten  Betrug  vorausgesetzt,  habt  ihr doch zu wenig Wissen von  den Kräften, die sich in solchen „Sitzungen” manifestieren,  und  seid nicht  imstande, die wirklichen  Urheber  der Phaenomene  festzustellen.

 

   Auch dann  nicht,  wenn  ihr jeden vorgefaßten Glauben ablehnt, um erst zu  erforschen, was etwa Wahres an der Sache sei!

 

   Die  Kräfte,  um die es sich bei echten spiritistischen Manifestationen handelt, sind voll Lüge, Laune und Trug, – stets  bereit, sich mit Hilfe eurer eigenen Kraft bemerkbar zu machen, – aber gar weit davon entfernt, sich  zu willigen Untersuchungsobjekten zu wandeln…  (Die mannigfachen Betrugsmöglichkeiten durch „Medien” und Sitzungsgenossen  lasse ich natürlich hier außer Betracht.)

 

   Die Manifestationen, in denen ihr Kräfte des „Jenseits” am Werke  glaubt, sind, wenn irdische Täuschung ausschaltet, nichts  anderes als das Spiel unsichtbarer Wesen einer noch fast  unbekannten  Region der physischen Welt. –

 

   Für wirklich  im  Geiste  „Erwachte”, –  die  als Jenseitsbewußte schon  zu  den „Jenseitigen” gezählt werden dürfen, auch wenn sie noch im Erdenleibe auf der physisch wahrnehmbaren Seite der Welt leben, ist es zwar  möglich, sich in vereinzelten Fällen der hier genannten Wesen zu bedienen, wie  man sich  auch sonst  irgend einer erreichbaren Hilfskraft bedient, allein es wird  gewiß  keiner  dieser wirklich  im Geiste Erwachten auf den Einfall kommen, zur  Unterhaltung  der  Teilnehmer  einer spiritistischen Sitzung beizutragen, oder die Versuche eines Experimentators „interessant” gestalten zu wollen…

 

   Auch wo man unter dem Eindruck steht, es „zweifellos” mit der Entelechie eines früheren Erdenmenschen zu tun zu haben, übersteigt die Gefahr der Täuschung durch Lemurenwesen so sehr alle Wahrscheinlichkeit einer echten Kommunikation,daß nicht eindringlich genug gewarnt werden kann vor dem Betreten jedes Weges, der zu irgendwelchen „spiritistischen” Erscheinungen führt.

 

   Der euch  hier  warnt, kennt alle  auf „spiritistischem”  Gebiet  möglichen  Manifestationen aus eigener, gesicherter und reichhaltigster Erfahrung.

 

   Ebenso aber kennt er auch jene unsichtbare physische-Zwischenwelt, die das ureigene  Lebenselement der „spiritistischen” vermeintlichen „Geister” bildet, und er weiß sich  dieser Wesen  und  ihrer Kräfte gegebenenfalls zu bedienen, wie man sich eines Reitpferdes oder eines Spürhundes bedient, wo es die Umstände erfordern.

 

   Dem geistig dazu Ermächtigten  dienen diese Wesen  mit  ihren Kräften, wenn er es verlangt, ohne daß  er erst nötig hätte, ein „Medium” zu  gebrauchen und  „spiritistische Sitzungen” abzuhalten.

 

   Er betritt  die Bereiche dieser Zwischenwesen mit der gleichen Sicherheit,  wie er bewußt sich in die  rein geistigen  Welten begibt.

 

 

   Angenehm ist  es freilich nicht, diesen Wesen  nahezukommen,  und  keiner  der es vermag, sich  ihrer nach seinem Willen zu bedienen, wird das  jemals ohne Not tun,  und immer wird er dabei ein Gefühl des Ekels  zu überwinden haben.

 

   Mit  diesen, etwa den Quallen südlicher Meere irdisch vergleichbaren, aber normalerweise nicht wie  diese,  physisch  wahrnehmbaren  Geschöpfen,  sowie  mit  ihren dennoch rein physischen Kräften, kommt ihr zumeist in Verbindung, während ihr mit euren „verstorbenen Lieben” im Verkehr zu sein wähnt,  – es sei denn, daß eure eigenen,  euch unbewußten Kräfte aus der gleichen  Region, der diese   unsichtbaren  physischen Geschöpfe angehören, alle Manifestationen allein  bewirken, und ihr euch auf solche Weise unwissentlich selbst ein Geistertheater vorspielt…

 

   Für  euer  seelisches und leibliches Wohl  ist solcher nichterkannte  Selbstbetrug aber immer noch weniger  verhängnisvoll,  als der echte Konnex mit den hier geschilderten Lemurenwesen, die eure Kräfte aussaugen wie Blutegel, und nur mit Hilfe der euch entzogenen  Energien  die   vermeintlichen „Wunder” eurer  „spiritistischen  Seancen” hervorzubringen vermögen.

 

   Auch  der vorurteilsfreieste Forscher, der diesen Erscheinungen nur als Beobachter gegenübertritt, ist keineswegs gefeit gegen die Kraft der  Polypenfangarme, die ihn vom Unsichtbaren her umschlingen.

 

   So sehr  er auch „über der Situation” zu stehen meint, muß er  sich doch seine  geheimsten Eigenkräfte entziehen lassen, ohne den Mißbrauch auch nur zu ahnen, den die, sein Interesse fesselnden, unsichtbaren Parasiten seines „Mediums” mit ihm treiben. – –

 

 

   Der wirkliche „Verkehr”,  – der einzige sichere Verkehr mit den ins „Jenseits” Vorangegangenen, – spielt sich  allein im Innern, in der „Seele” ab, und  ist rein geistiger Art.

 

   Euer eigener geistiger „Leib” ist das Organ   des  Vernehmens  der „Abgeschiedenen”  für euch! –

 

   Jeder „durchgefühlte”  Gedanke, jedes euch ganz  durchdringende  Gefühl,  wird „auf der anderen Seite” vernommen wie hier in der  physisch-sinnlichen Welt das gesprochene Wort.

 

   Ebenso aber vernehmt auch ihr, – wenn ihr „in der Stille” und feinfühlig genug dazu seid, – die Äußerungen derer, die  bereits  auf der geistigen  Seite  der Welt sich erleben, als leise Gedanken und wie  von außen in euch eindringende Gefühle,  die bei einiger  Übung des Unterscheidungsvermögens ganz sicher von „eigenen” Gedanken und Gefühlen zu  sondern sind. –

 

   Aber auch abgesehen von dem was euch bewußt werden mag, besteht eine dauernde, unterbewußte Influenzwirkung, und  ihr seid  in solcher Weise oft  in  einem viel richtigeren Sinne das „Medium” eines Vorangegangenen, als  jemals ein  sogenanntes „spiritistisches Medium” dies sein könnte, auch wenn die „Jenseitigen” sich seiner bedienen wollten…

 

   Wäret  ihr gewohnt, die  alltäglichen  Geschehnisse eures Lebens nüchternen Sinnes, aber doch auf das  Geheimnisvolle aufmerkend, zu beobachten, so würdet ihr euch gar oft im Sinne eines geliebten  „Verstorbenen”  handeln sehen,  auch  wenn nicht die leiseste  bewußte Absicht  in euch  bestand,  so  zu handeln, wie es der Abgeschiedene gewünscht haben  würde, lebte er noch in physisch wahrnehmbarer Erscheinung. –

 

   Andererseits würde es euch gewiß auch zu denken geben, daß recht oft von Seiten völlig Fremder irgend etwas geschieht, was man geradezu als endliche Erfüllung eines Wunsches  ansprechen  darf, den ein  Gestorbener zur Zeit seines Erdenlebens heiß hegte,  der  ihm aber  dazumal unerfüllt geblieben war. – –

 

 

   Freilich ist das alles viel weniger effektvoll   als  ein tanzender  oder schwebender Tisch,  dessen Beine „Botschaften” klopfen, oder gar  als die  „materialisierte” Gestalt, in der man, hypnotisch gebannt ohne  sich dessen bewußt zu sein, einen Gestorbenen „mit aller Sicherheit” erkennt und sprechen hört, obwohl das, was da vor einem steht, nichts  weiter ist  als eine  Art  „astraler” Panoptikumsfigur.

 

   Wohl  sind  die  äußeren Züge der  ehemaligen  erdenhaften  Erscheinung  des Gestorbenen entliehen,  und sogar das Kleid, der Anzug, feiert seine scheinbare Auferstehung, – aber aus solchem Popanz spricht ein Lebewesen,  das euch  mit Entsetzen erfüllen würde,  könntet ihr  es  in seiner wahren,  von aller Maskierung befreiten Gestalt einmal plötzlich neben euch stehen sehen. – –

 

   Menschen, die niemals echte  und wirklich  bemerkenswerte spiritistische Phänomene erlebten, werden zwar kaum begreifen können, daß  solche Dinge ernst zu nehmen sind, – aber das hindert leider  nicht, daß der sogenannte „Spiritismus” Millionen heimlicher und offener Anhänger zählt und stets neue „Bekehrte” in seinen Bannkreis zieht.

 

   Eine ungeheure, teils phantastische, teils pseudowissenschaftliche Literatur über spiritistische Theorie und Praxis  findet noch immerfort fiebernde Leser,  und was  die Gläubigen angeht, so schützt hier auch alle wissenschaftliche Bedeutung die auf anderen Gebieten  erworben  wurde, keinesfalls  vor gröblichster Täuschung, – besonders dann nicht, wenn ein Todesfall den heißen Wunsch erweckt,  mit dem geliebten  Verstorbenen auf irgend eine Weise wieder in Kontakt zu kommen…

 

   Der Doktorhut bildet keine zureichende Isolation gegenüber den hypnotischen Beeinflussungen aus dem Unsichtbaren, und  die Talare akademischer  Würden sind  leider durchlässig wie Spinngewebe  für die Saugrüssel unsichtbarer physischer Mollusken.

 

   Aus  allen diesen Gründen dürfte meine Warnung wohl kaum überflüssig sein.

 

 

   Der ganze physische und geistige Kosmos  ist  ein  einheitliches Ganzes, auch wenn dieses  Ganze  sich in  sehr  unterschiedlichen Aspekten darstellt.

 

   Die  eigentliche Wirklichkeit die hinter den  Aspekten steht, war und ist immer nur  sehr wenigen Erdenmenschen  aufgeschlossen.

 

   Sie entzieht sich sowohl dem Experiment wie dem spekulierenden Denken.

 

   Auf  der physisch-sinnlichen,  wie auf der geistigen Seite des Alls gibt es jeweils wieder die verschiedensten  Abwandlungen der Anschauungsform, und  alles solcherart ins Bewußtsein gelangende  tritt mit dem gleichen Anspruch auf, – „das Wirkliche” zu sein.

 

   Die  Wesen,  die sich  im  All  erleben, sehen fast  alle  nur Teile des Wirklichen, und selbst diese Teile nur in unbewußter eigenschöpferischer Umgestaltung.

 

   So ist auch das Leben  nach dem „Tode” des physischen Körpers bestimmt durch einen Wechsel der Anschauungsform.

 

   Es wird das  gleiche Wirkliche empfunden und erlebt, – nur  in geistiger Anschauungsform,  – da die physischen Sinne mit dem Erlöschen der einheitlichen Lebensfunktionen des  irdischen Körpers aufhören, brauchbare Vermittlungsorgane für das Erleben zu sein.

 

   Sinnlich wahrnehmbar aber  ist  das Leben in allen seinen Regionen, auch wenn die Art der Sinnesorgane sehr verschieden ist. –

 

   „Sterben” ist  für den  Erdenmenschen nur  ein Vorgang, der zwangsweise dazu führt, bisher im Unterbewußten verborgene Sinne bewußt gebrauchen zu lernen…

 

   Auch während des Erdenlebens sind diese geistigen Sinne  schon vorhanden, – ja, sie allein sind die Ursache, daß der Mensch aus seiner tierleiblichen Sinneswahrnehmung Eindrücke empfangen kann, die dem Tiere, auch auf höchster Stufe, unerlebbar bleiben, so sehr  auch seine physische Sinnesschärfe die des  Menschen übertreffen  mag. – –

 

   Nur in relativ seltenen Sonderfällen wird es möglich, daß die Sinne des geistigen „Leibes” im Menschen schon während dieses Erdenlebens sich eröffnen, und es  geschieht dies  niemals in der Form  einer .plötzlich sich einstellenden Fähigkeit,  die  geistigen Sinnesorgane gebrauchen zu können,  sondern immer nur in der Art eines sukzessiven „Wachwerdens”, das zwar sanft gefördert, aber keinesfalls durch willkürliche  Mittel erzwungen werden kann.

 

 

    Wer nun schon im physisch-sinnlichen  Leben auch zum Gebrauch seiner geistigen  Sinne erwachte, der sieht die verschiedenen,  ihm schon erfahrbaren, niederen „Welten”   der einen und einzigen ursächlichen Welt  der  Wirklichkeit  wie ineinander  „verschachtelt”, so daß es ihm oft schwer werden  kann, augenblicklich  zu unterscheiden, was  den Regionen der physischen, und was den  Reichen der  geistigen Sinnenwelten angehört.

 

    Nur die ganz wenigen Menschen, denen  sich auch die Welt der Ursache: –  das „Ding an sich”, von innen her aufgeschlossen hat,  empfinden zugleich  die eine, letztgründige Wirklichkeit, durch die sowohl jede geistige,  wie jede physisch-sinnlich wahrnehmbare  Welt  „gewirkt” wird.

 

   Diese Urwirklichkeit ist Urgrund allen Lebens, mag es nun auf geistige oder auf physische Art zum  sinnlichen  Erfahren und  Selbsterleben kommen! –

 

   Der „Mensch” aber, – ob  er  sich nun in geistiger Erscheinungsform oder im Erdentierkörper erlebt, ist, in ewiger Wirklichkeit gesehen: Ewiges Leben in  der Form individueller, bewußter Erlebnisfähigkeit.

 

 

   Durch die physisch-sinnliche  Anschauungsweise hier auf Erden bestimmt, fällt es freilich dem auf eine tierhafte Gestalt allein verwiesenen ewigen  Leben  recht schwer, sich individuell  geformt, und doch dabei als Konzentrationspunkt  eines unermeßlichen Ganzen zu empfinden: – eines Ganzen, das in sich keine Lücke  und keine Trennung kennt, obwohl es sich in unendlichfältigen Aspekten erfaßt. –

 

   Allzusehr  hängt erdgebundene Vorstellung von dem Augen-Schein ab, der Individuelles nur als ein von  anderem Getrenntes kennt.

 

   In geistiger Anschauungsweise aber ist Individualität ewige  Darstellungsfunktion innerhalb des untrennbaren Ganzen: – nicht etwa Spaltung in sich selbst, sondern Darstellung eigener Viel-Einheit.

 

   Immer ist es das ganze, unteilbare Leben, das sich in jeder seiner unendlich vielen individuellen Selbstformungen in einem bestimmten, einmaligen Aspekt erlebt…