Du hast nun hoffentlich bereits begonnen, ein Weniges zu erahnen von dem Geheimnis der ewig zeugenden, ewig gebärenden Ursachenwelt, die sich in allen Anschauungsreichen offenbart, in unendlichfältiger Erscheinungsfülle…
Oder ist dein inneres Fühlen doch noch zu stumpf, weil du nicht gewohnt warst, es zu schärfen?
Dann erfühlst du vielleicht noch kaum etwas von dem Mysterium, das dir durch meine Worte enthüllt werden soll, oder du deutest meine Worte, wie sie nicht gedeutet werden wollen? –
Ich will aber, daß du „sehend” wirst, damit du nicht dereinst als ein „Verblendeter” das Reich des Geistes betreten wirst, wenn der Tag kommt, an dem du es betreten mußt. –
„Avidyâ”, d. i.: Nichtwissen, nennt östliche Weisheit mit Recht eine „Schuld”, denn dein eigener Wille nur vermag es, dir die Pforte zur Erkenntnis zu versperren. – –
Du hast jetzt mehrfach bereits gehört, daß zwischen deiner Welt der physisch-sinnlichen Wahrnehmung und der Welt des Geistes nur eine Schranke liegt, die zwei verschiedene Arten der Wahrnehmungsfähigkeit voneinander trennt.
Ich habe mich absichtlich des öfteren wiederholt und werde mich auch weiterhin noch wiederholen müssen, damit diese Grundwahrheit dir so tief wie möglich zu Bewußtsein kommt.
So muß ich auch hier dir in die Erinnerung rufen, daß das Wirkliche immer das gleiche Eine und Ursächliche bleibt, auch wenn es auf die verschiedenste Art zur Wahrnehmung gelangt in den physischen oder geistigen Erscheinungswelten.
Philosophisches Denken erspürte von ferne dieses eine „Wirkliche” und nannte es: „Das Ding an sich”.
Bis zu ihm aber vorzudringen, ist auch der feinsten und scharfsinnigsten philosophischen Spekulation absolut unmöglich.
Nur in praktischer Erfahrung wird es erfaßt, und nur erprobte Meister uralter verborgener Erkenntnisweise sind dieser praktischen Erfahrung wirklich fähig.
Sie allein vermögen es auch, ihre schon dazu geborenen, ausgewählten Nachfolger zu dieser praktischen Erfahrung zu führen.
So habe auch ich voreinst erlangt, was hier zu erlangen war.
Wer anders als wir, sollte dir also das einzig Wirkliche, das aller und jeder Erscheinung letzte Ursache ist, wenigstens durch den Hinweis, den Worte einer Menschensprache zu geben vermögen, hier auf Erden aufweisen können?!
Ich will versuchen, ob es mir gelingt, – allein, ich muß dein eigenes innerstes Fühlen bei diesem Beginnen dringend zu Hilfe bitten, denn nur, wenn das, was in dir des Geistes ist, meinem Lehrwort sich vereinen kann, wirst du der Wahrheit innewerden.
Deine Augen sind bis jetzt noch geblendet von dem Glänze eines vergänglichen Lichtes, das gewiß die Augen blenden kann!
Du mußt erst „sehen” lernen! –
Dein Auge muß frei werden, so daß es sehen kann, was es sehen will, und nicht mehr gezwungen ist, nur das sehen zu müssen, was die allermeisten Menschen allein zu sehen vermögen. – –
Dein Auge muß nach innen sehen lernen, so, wie es bis jetzt nur nach außen sieht!
Aber es handelt sich hinwieder auch nicht nur allein um ein anderes „Sehen”, sondern dein ganzes Fühlen muß Erneuerung erfahren.
Dein eigenes „Daseinsgefühl” muß sich aus den Fesseln lösen, die es bislang noch umstricken, willst du das einzig „Wirkliche”, das Ursache aller Erscheinung ist, mit unbeirrbarer Sicherheit erfühlen.
Magische Fäden durchziehen auch diese äußere, physische Sinnenwelt, und wenn du mit Ausdauer dich bestrebst, nach innen sehen zu lernen, so wirst du bald die Erscheinungsform dieser Außenwelt von dem Ursächlichen, das sich in ihr offenbart, zu unterscheiden wissen.
Du wirst die überraschende Entdeckung machen, daß das einzig Wirkliche aller Erscheinungswelt auch in der physisch-sinnlichen Erscheinungsart erfaßbar ist, in Gestalt der verborgenen geistigen Urseinskräfte, die zwar oft genug von Menschen erfahren wurden, aber dennoch von vielen geleugnet werden, weil ihre Erfahrung nichts davon weiß…
Wer erfahren durfte, was hier gemeint ist, den kann kein Zweifel Anderer mehr beirren, und sein eigenes Erleben wird ihn davor behüten, diese Kräfte etwa jenen gleichzusetzen, die dem unsichtbaren Bereich der physischen Natur entstammen, obwohl man gemeinhin in beiden Fällen von „mystischen”, „übernatürlichen” oder auch „okkulten” Kräften zu sprechen pflegt.
Die ganze physische Erscheinungswelt, die dich umgibt, – dein eigener Körper miteingeschlossen, – ist aufgebaut auf der Auswirkung der den Erdensinnen verborgenen geistigen Kräfte aus dem Ursein, und alle geistigen Welten sind gleicherweise dieser ursächlichen Kräfte Erscheinungsform.
Es ist die andere Anschauungsart, die das Wirken dieser Kräfte als physische, oder als geistige „Welt” empfinden läßt.
Du wirst nun begreifen, daß das „Jenseits” keine ursächlich andere Welt ist, sondern nur das Ergebnis einer neuen, dir noch unbekannten, anderen Wahrnehmungsart der Auswirkung dieser gleichen verborgenen Urseinskräfte, deren Auswirkungsfolge du hier auf Erden als „Diesseits” anschauen lerntest. –
Dein Bewußtsein ist zwar nicht Schöpfer der Wirklichkeit, denn es ist selbst ein „Teil” dieser Wirklichkeit, – ist selbst eine der verborgenen geistigen Urseinskräfte, – aber es ist im „Diesseits” wie im „Jenseits”: Schöpfer der Erscheinungsform, die sich hier wie dort aufbaut auf der Auswirkung der gleichen Kräfte.
Zu der „diesseitigen” Anschauungsform gehört eine Auswirkungsfolge dieser Kräfte, die dir sehr vertraut ist als die Funktion deiner physischen Sinne.
Durch diese, dir hier gegebenen Sinne wird all dein Anschauen und Anerkennen der Wirklichkeit auf Erden genau bestimmt, und so nimmst du nichts anderes wahr, als was sie dich wahrnehmen lassen.
Da du aber selbst ein „Teil” der ewigen Wirklichkeit bist, gleichwie ein Wassertropfen im Meere ein Teil des Meeres ist, so trägst du auch in dir potentiell alle Möglichkeiten die der ewigen Wirklichkeit innewohnen, wie der Tropfen im Meere alle Eigenschaften des Meerwassers aufweist.
So bist du nicht nur fähig, durch die Sinnesorgane deines physischen Organismus wahrzunehmen, denn du selbst bist ja geistiger Natur und deines geistigen Organismus ewiger Eigner.
In deinem geistigen Organismus besitzest du andere Sinnesorgane, die du bis jetzt noch nicht kennst, und sie entsprechen auf geistiger Seite durchaus deinen physischen Sinnesorganen hier im irdischen Leib.
Durch deine geistigen Sinne wirst du im „Jenseits” ebenso zum Schöpfer deiner geistigen Erscheinungswelt, wie du hier auf Erden Schöpfer der dir wahrnehmbar werdenden physischen Erscheinungswelt bist, ohne darum zu wissen…
Betrachte, um deinem Verstehen zuhilfe zu kommen, beispielsweise einen Menschen in der Hypnose!
Er sieht, hört und fühlt alles, was du ihn durch deine Suggestion sehen, hören oder fühlen lassen willst, und es gilt ihm als wahrhaft vorhanden.
Du glaubst mit aller Bestimmtheit, er unterliege einer von dir gewollten Täuschung, – allein du bist es, der sich in dieser Annahme täuscht!
Du hast den Hypnotisierten nur für kurze Zeit von dem Zwang befreit, seinen physischen Sinnen allein glauben zu müssen, und nun sieht, hört und fühlt er vorübergehend, und dort, wo du es ihm befiehlst, auch mit seinen geistigen Sinnen, und wird durch sie zum Schöpfer dessen, was ihm wahrzunehmen aufgetragen ist.
Nicht du zeigst ihm, was er sieht, und er sieht auch gewiß noch nichts von dem, was in geistigen Erscheinungswelten allen dort Wahrnehmenden gemeinsam sichtbar ist.
Du leitest nur seine plastische Phantasie, und da er, bei gehemmter Funktion der physischen Sinne, zugleich auch mit seinen geistigen Sinnen wahrzunehmen vermag, so gestaltet sein Wille vorübergehend in geistiger Substanz die Aequivalente der Vorstellungsbilder, zu deren Erzeugung du ihn veranlaßt hast.
Nicht der Holzstab mit dem du seine Hand berührst, – während du suggerierst, es handle sich um ein glühendes Eisen, – schafft die Brandblase, die alsbald auf der Hand zu sehen ist, – sondern die geistsinnliche Erscheinungsform eines glühenden Eisenstabes hat sie bewirkt, und sie konnte derartiges nur bewirken, weil sie auf der Auswirkung der verborgenen Kräfte aufgebaut war, die in aller Erscheinung das einzig Wirkliche sind. –
Keinen Augenblick wird der Hypnotisierte an der Objektivität seiner Eigenschöpfung zweifeln, und wenn du ihm befohlen hast, sich seiner Erlebnisse auch nach dem Erwachen noch zu erinnern, so wird er dann im Wachzustand kaum zu begreifen vermögen, daß seine Wahrnehmungen nicht in der physischen Sinnenwelt erfolgten.
So intensiv aber konnte er nur erleben, weil sein Erleben auf der Auswirkung der gleichen Wirklichkeit beruhte, wie die ihm vertraute physische Erscheinungswelt. – –
Wenn nun die Hypnose hier auch nur der Verständigung wegen erwähnt wurde, und wenn auch gewiß die Einblicke in geistig-sinnliche Bezirke, die sie gewährt, sehr beengt und oberflächlich bleiben, so kann dir dieses Beispiel doch immerhin zeigen, daß deine gegenwärtige physisch-sinnliche Anschauungsmöglichkeit nicht etwa die einzig vorhandene ist.
Wir Menschen hier auf der Erde sind alle gleichsam in einer Kollektivhypnose, so daß wir hier nicht auf andere Weise wahrnehmen können, als wie unser „Hypnotiseur”, der hier unser eigener „ein-geborener” Wille ist, uns wahrnehmen lassen mag, und er wäre nicht in irdischem Bereiche, ginge sein Streben nicht nach dem Selbsterleben in physisch-sinnlicher Erscheinung.
Sobald wir unseren zeitlich ins Physische gerichteten ewigen Willen umzukehren verstehen, werden wir andere Wahrnehmungsarten und ihre Gesetze kennenlernen. –
Das ist zwar während des physischen Daseins auf der Erde nur sehr wenigen Menschen möglich, – es wird aber allen zur Notwendigkeit, sobald der Tod des Erdenkörpers dem Willensbewußtsein die bisherigen Sinnesorgane entzieht.
Alle „Furcht vor dem Tode” erwächst aus dem Widerstreben des ins Physische gerichteten Willens gegen eine Umkehr seiner, im Akt des „Falles” aus dem Urlicht eingeschlagenen Richtung. – –
Du wirst nun begreifen können, daß jeder, der hier auf Erden noch nicht zum geistigen „Erwachen” kam, im „Jenseits” zuerst nur eine „Grenzwelt” ertastet, die seinen Vorstellungen und denen Gleichgesinnter, entspricht, – daß er aber erst vollständig Herr seiner selbst im eigenen Willen geworden sein muß, bevor er in die ewige geistige Lichtwelt absoluter Erfüllung emporgeführt werden kann. –
Wir können auch keinen brauchen, der nicht alle seine selbstsüchtigen Wünsche aufgegeben hat, denn sein bloßes Dasein in der uns umschließenden geistigen Region wäre schon gleichbedeutend mit ihrem Versinken in Unordnung und Chaos, – gesetzt, es wäre möglich, daß ein solcher die höchste Licht-Welt im Geiste ersteigen könnte.
Vielleicht verstehst du nun, weshalb ich betonte, daß wir hier alle eines Willens sind, der sich in seiner Zielrichtung nicht verändern kann…
Wir sind im geistigen Reiche souveräne Beherrscher des einzig Wirklichen geworden, – durch die mit ihm verschmolzene Einheit unseres Willens, in dem jeder Einzelwille nur noch als Allwille sich wiederfindet…
So wurden wir wissende Bildner der höchsten und reinsten Erscheinungswelt im Geistigen.
Soweit in einem Zustand, der weder Anfang noch Ende kennt, da er immerdar zugleich Beides selber ist, dennoch von „Vollendung” gesprochen werden kann, wissen wir, daß unsere Vollendung bedingt ist, durch stetes bewußtes Gestalten und Erhalten der höchsten und lichtklarsten Erscheinungswelt im Geiste, die uns Stätte des Wirkens wie Tempel der Anbetung wurde…
Wir „sind” nichts anderes, als nur das, was unser geeinter ewiger Wille will!
Was man auf Erden und in der Rede des Alltags „Wille” nennt, ist nur ein Wünschen, ein Begehren, oder irgend einer Neigung Ausdruck, bedingt durch eine Gehirnfunktion.
Würde der wirkliche ewige Wille des Menschen auf der Erde den Wünschen folgen, dann müßte sich jeder Wunsch und jedes Begehren erfüllen.
Dem ist aber nicht so, wie jeder weiß, und wir können wahrlich dem Himmel danken, daß allhier nicht hinter jedem Wunsch ein Wille steht…
Auf der Erde „will” unser ewiger Wille nur in der Beschränkung, die ihm die gewollte physische Anschauungsweise auferlegt, auch wenn die Wünsche diese Schranken nur zu oft und zu gerne überfliegen möchten.
Erst im Geistigen, – in der anderen Anschauungsform, – kann unser Wille auch anders wollen.
Dort ist der Bann „diesseitiger” Hypnose gebrochen und die anderen, in uns vorhandenen Möglichkeiten der Anschauungsweise können sich offenbaren.
Du wirst nun auch hier wieder sehen, weshalb es so unsinnig ist, zu glauben, daß dieser Erdenwelt Gestorbene sich „materialisieren” könnten, um mit den Irdischen in Verkehr zu treten.
Das würde heißen, daß die der Hypnose physischen Anschauungszwanges endlich Entrückten, aufs neue ihr verfallen könnten. –
Selbst wenn es „naturgesetzlich” möglich wäre, würden sie solche Rückkehr nicht mehr wollen können, da der Wille längst nun sich selbst aus seinem hypnotischen Bann befreite, ganz abgesehen davon, daß die physisch-sinnliche Anschauungsweise durch die Funktion der physischen Sinnesorgane bedingt ist.
Wie ich schon vordem sagte, ist alles, was jemals in spiritistischen Seancen für die „Materialisation” eines Gestorbenen angesehen wurde, wie auch jede dort wahrgenommene physikalische Manifestation, nur das Werk von Wesen, die zwar den menschlichen physischen Sinnen für gewöhnlich unwahrnehmbar bleiben, aber dennoch zur physischen Natur gehören.
Ihr unsichtbarer Organismus ist keineswegs „geistiger” Natur und sie können nichts Geistiges wahrnehmen.
Dagegen verfügen sie über hochentwickelte Sinnesorgane in ihren, dem Erdenmenschen normalerweise unsichtbaren physischen Körpern, – Sinnesorgane die zwar physischer Art sind und nur „diesseitige” Anschauungsweise bewirken, aber doch alle physischen Sinnesfunktionen des Erdenmenschen außerordentlich übertreffen.
Dazu kommt noch, daß diese Wesen auch mit Sinnen begabt sind, die der Mensch der Erde nicht besitzt, und nur – so gut es geht – durch die Funktionen mechanischer Apparate zu ersetzen sucht. –
Die, irdischen Menschenaugen Unsichtbaren, um die es sich hier handelt, – die aber von manchen Tieren der Erde scharf wahrgenommen werden, – sind im Stande, für kurze Zeit und unter Benutzung menschlicher Kräfte, Formen anzunehmen, die auch den menschlichen physischen Sinnen wahrnehmbar werden müssen.
Die zeitweilige Erzeugung und Benutzung solcher Formen wird bewirkt durch eine Art Amalgamierung mit dem Willen gewisser Menschen (der sogenannten „Medien”) bei gleichzeitiger Benützung ihrer „Tierseele”.
Die Bewohner des den Menschensinnen nicht bewußt wahrnehmbaren Teiles der physischen Erscheinungswelt sind in gewissem Sinne dem Menschen recht „ähnlich”, aber es handelt sich weder um ehemalige Menschen, noch können aus diesen Wesen jemals Menschen werden.
Es handelt sich vielmehr um Geschöpfe, die dem menschlichen unsichtbaren physischen Organismus ebenso nahestehen, wie die irdische Tierwelt dem äußeren physischen Menschen.
Das naturgewollte Wirkungsgebiet dieser Wesen liegt in den inneren Bereichen des organischen Aufbaues der physischen Welt.
Die „Gnomen”, „Kobolde”, Erd-, Luft- und Wassergeister der alten Märchen und Sagen sind, – von sichtlichen Zugaben der Volksphantasie abgesehen, – zumeist ganz so dargestellt, daß die Vermutung recht nahe liegt, man habe es hier nicht mit Erdichtungen zu tun, sondern mit Zeugnissen realer erdenmenschlicher Erfahrung.
Die Bezeichnung als „Naturgeister” darf jedoch nicht vergessen lassen, daß es sich um physisch-sinnliche Wesen handelt, denen die geistige Seite der ursächlichen Welt nicht nur unzugänglich, sondern nicht einmal für ihr Bewußtsein vorhanden ist…
Nur die Unkenntnis dieser naturgegebenen Zusammenhänge läßt es als entschuldbar erscheinen, wenn Menschen vermuten oder gar glauben, in spiritistischen Sitzungen mit Wesenheiten aus der geistigen Welt zu verkehren.
Wohl ist es möglich, daß rein geistige Wesenheiten, und mithin auch Gestorbene, sich unter gewissen Umständen sichtbar und vernehmbar machen können, – allein, du siehst und hörst sie dann durch deine geistigen Sinne, auch wenn du mit physischen Augen zu sehen, mit dem physischen Gehör zu hören meinst.
Niemals aber werden wirkliche Geistwesenheiten irgendwelche physikalische Kraftäußerung hervorbringen! –
Damit du eine wirkliche geistige Wesenheit durch deine geistigen Sinne wahrnehmen kannst, ist es nötig, daß man dich von geistiger Seite her vorübergehend aus der „Hypnose” physisch-sinnlicher Anschauungsart befreit.
Deine unbeeinflußte Umgebung wird dann weder die Gestalt sehen, die du erblickst, noch eines der Worte hören, die du vernimmst, und doch braucht es sich bei deinem Erleben keineswegs um eine „Halluzination” zu handeln, die ja nur ein Erzeugnis deiner eigenen plastischen Phantasie wäre…
Empfängst du ein echtes geistiges Erlebnis, ohne es gesucht zu haben, so nimm es ehrfürchtig hin und verwahre in deinem Herzen, was du empfinden durftest!
Töricht aber wäre es, dir solche Erlebnisse etwa zu wünschen, denn es gehört schon sehr hoch entwickelte Kritikfähigkeit dazu, echte Wahrnehmungen der geistigen Sinne sicher von lebhaften Halluzinationen zu unterscheiden, und du wirst doch kaum erstreben, einen „Geist” zu sehen, von dem du nicht wissen kannst, ob er nicht gar dein eigenes, in einer Maske agierendes Projektionsbild ist.
Die Fälle echter geistigsinnlicher Wahrnehmung sind so überaus selten, daß man gut tut, erst dann an eine tatsächliche Einwirkung aus geistigen Regionen zu glauben, wenn schärfste Kritik die Möglichkeit einer Halluzination unter allen Umständen ausschließt.
Das zu beurteilen, lehrt aber nur reiche Erfahrung, und ein sicheres Urteil steht hier nur Menschen zu, deren geistige Sinne schon dauernd erschlossen sind.
Das sogenannte „Hellsehen” ist jedoch nicht die Fähigkeit, geistige Gestaltungen wahrzunehmen.
Der „Hellseher” ist nur imstande, ihm räumlich oder zeitlich ferne Dinge der physischen Welt wahrzunehmen, – zuweilen auch mit Einschluß ihres unsichtbaren Bereiches und der in ihm lebenden Lemurenwesen, die ihm alsdann als „Geister” gelten.
Mag ein „Hellseher” auch die verblüffendsten Beweise seiner Wahrnehmungsfähigkeit in der Fernschau, Rückschau, oder Vorherschau erbringen, so handelt es sich doch immer nur um ein Erschauen innerhalb der physisch-sinnlich erkennbaren Erscheinungswelt.
Dort, wo er glaubt, Geistiges zu erblikken, berichtet er entweder von dem unsichtbaren Teil der physischen Welt, oder aber von Dingen, die seine eigene plastische Phantasie ihm vorspielt, wobei er, guten Glaubens, alles Gesehene für objektive Bezeugung der Geisterwelt hält.
Seine Schauungen werden dann immer deutlich die Färbung der Vorurteile und Meinungen aufweisen, die ihn im Alltagsleben hier auf Erden beherrschen.
Ist er Christ, so wird er von den heiligen Gestalten der Evangelien, oder von kanonisierten „Heiligen” zu berichten haben, – ist er in den Vorstellungen indischer Religionssysteme aufgewachsen, so wird er die Gottheiten des Brahmanismus, in Tibet aber: die der Mahâyânaschule, zu schauen glauben.
Unzählige Wahnvorstellungen vom „Jenseits” sind unter willigen Gläubigen durch „Hellseher” verbreitet worden und finden immer noch Anhänger, weil man naiverweise aus der Bestätigung irgend einer Fern- oder Vorherschau schließt, daß dem „Hellseher” auch geistige Gebiete erschlossen seien.
Das Organ des „Hellsehens” ist aber nichts anderes als ein rudimentäres physisches Sinnesorgan aus den Urzeittagen der Menschheit auf dieser Erde.
Als Beispiel von „Atavismus” findet sich zuweilen dieses Sinnesorgan auch in Menschen der heutigen Tage leidlich funktionsfähig ausgebildet vor.
Alles „Hell-sehen”, „Hell-fühlen” „Hell-hören” beruht auf der Möglichkeit, dieses Sinnesorgan gebrauchen zu können.
Hierher gehört auch die sogenannte „Psychometrie”, oder das Schauen der früheren Schicksale eines Gegenstandes bei der bloßen Berührung, sowie manche Spielart der Fähigkeit zum „Wahrsagen”, auch wenn dabei ein Modus befolgt wird, der den eigentlichen Vorgang, absichtlich oder ungewußt, verschleiert.
Damit du verstehen lernst, was das „Jenseits” ist, wirst du drei Reiche im Kosmos unterscheiden lernen müssen.
Einmal das Reich der physisch-sinnlichen Anschauungsart, oder die physische Welt.
Dann das Reich geistig-sinnlicher Anschauung, oder die Welt des Geistes.
Drittens aber das Reich der verborgenen, ursacheschaffenden Kräfte des Urseins: – das einzig Wirkliche, auf dessen Auswirkung alle Anschauungsformen und ihre Erscheinungswelten, sowohl auf der geistigen wie auf der physischen Seite des Kosmos, beruhen.
Diese verborgenen, ursacheschaffenden Kräfte des Seins wirken im Erdenmenschen als seine „Seelenkräfte”.
Einmal in einem Menschenleben zu zeitweiliger Kollektivform kristallisiert, nehmen sie gleichsam die individuelle „Färbung” des Menschen an und werden durch den in ihm sich manifestierenden ewigen Willen, für alle weitere Zeit bestimmt, so daß sie dem einmal empfangenen Impuls fortan folgen müssen, bis er Erfüllung fand.
Ist diese Erfüllung im Erdenleben des Menschen, der den Impuls gab, nicht zu finden, dann äußern sich die einmal nun nach bestimmter Richtung strebenden „Seelenkräfte” immer wieder in neuen Menschenleben, bis sie zuletzt Erfüllung erreichen, indem sie sich dem Willen, der sich in einem Menschen manifestiert, verschmelzen und mit ihm zur Einheit werden.
Unrichtige Deutung dessen, was sie von diesem Geschehen wahrzunehmen vermochten, verführte die Völker des Ostens zu dem Glauben an eine oftmalige „Wiedereinverleibung” des Menschen durch Geburt auf der Erde.
Der Wahrheit nach ist aber solche Wiedereinverleibung, – also ein Zurückfallen in die Selbsthypnose physisch-sinnlicher Anschauungsart, – nur möglich bei Menschen, die bewußt und absichtlich selbst ihren Körper zerstören (was keinesfalls ein Werk des ewigen Willens, sondern immer nur ein Ausbruchsversuch des Wunsches ist! – –) ferner: bei Kindern, die starben, bevor der ewige Wille Erfüllung seines Dranges zu physisch-sinnlicher Erfahrung fand, und drittens: bei Menschen in denen der Drang zu solcher Erfahrung gleichsam in Hypertrophie ausartete, so daß selbst der Tod des Erdenkörpers nur für kurze Zeit die Selbsthypnose zu unterbrechen vermochte.
Die Lehre von der Re-inkarnation entspricht also ebensowenig dem normalen Geschehen, wie die Selbstentleibung, oder der Tod im frühen Kindesalter als die allen Menschen gesetzte Abschlußform des irdischen Lebens anzusehen sind…
Wenn in dir „Erinnerungen” oder auch nur leise Ahnungen auftauchen, die dir den Glauben nahelegen, du könntest schon früher einmal ein Erdenleben durchlebt haben, so ist es zwar möglich, daß dich solcher Glaube nicht täuscht, und daß du selbst ein Beispiel bildest zu einem der drei Sonderfälle, die allein eine Wiederverkörperung zulassen, – aber du wirst besser tun, wenn du die Frage ruhen läßt, bis dir nach diesem Erdendasein dereinst im Geistigen die einzig sichere Antwort wird.
Das Gefühl, ehedem als eine von dir verschiedene Individualität auf Erden gelebt zu haben, ist immer und mit aller Sicherheit eine Täuschung, denn in den genannten drei Sonderfällen, die allein mehrmalige Verkörperung auf Erden erlauben, bleibt auch in der neuen Einverleibung immer die gleiche Individualität in Erlebnisbereitschaft ihrer selbst im Erdendasein.
Dagegen ist fast von jedem innerlich nicht ganz empfindungsträgen Menschen mit Gewißheit anzunehmen, daß er in sich zuweilen „Seelenkräfte” am Werke gewahrt, die ihren Impuls von Menschen früherer Zeiten empfingen und ihn nun zur Erfüllung zu bringen suchen.
Dann kann es sein, daß sich dem Menschen der solches in sich erfährt, sehr lebhaft geformte Erinnerungsbilder zeigen, die dem Leben jener Menschen entstammen, die voreinst den nun in einem neuen Menschenleben tätigen „Seelenkräften” ihren Impuls gegeben haben.
Der Irrtum, dann zu glauben, man sei selbst voreinst der gewesen, von dem diese Erinnerungsbilder an Selbsterlebtes stammen, ist zwar sehr leicht erklärlich, aber doch nur durch allzu oberflächliche Erfahrung zur Not zu stützen.
Jeder einzelne Mensch ist eine einmalige und einzigartige Emanation des Urwillens, – ist hervorgegangen aus dem ewigen „ungeformten Meere der Gottheit” um seine, von allen anderen Mitemanationen verschiedene, individuelle Formvollendung zu erlangen.
Wer auf dieser Erde geboren wurde und nun die Mühen, Bedrängnisse und Schmerzen zu erdulden hat, die mit dem Dasein im tierhaften Leibe untrennbar verbunden sind, der hat sich dieses Schicksal selbst geschaffen, denn um des Daseins in dieser physisch-sinnlichen Erscheinung willen, hat er den Weg zu seiner Formvollendung im Geiste selber unterbrochen.
Zwangsläufig muß er früher oder später zur Rückkehr kommen, um dann aufs neue seiner geistigen Formvollendung zu zustreben.
Je eher er schon in seinem Erdendasein diese einzige Art, seine „Not” zu „wenden” erkennt, desto mehr Förderung kann er aus seinem Erdenleben für den weiteren Verlauf des Vollendungsweges ziehen, – desto leichter wird es, hier auf Erden schon die Hindernisse zu beseitigen, die sonst zu argen Hemmungen auf diesem geistigen Wege werden können. –
Wenn aber auch der Mensch in diesem Erdendasein noch nicht zu eigenem bewußtem Erleben mit seinen geistigen Sinnen gelangt, so ist doch schon Bedeutsames erreicht, sobald er durch jene seiner Mitmenschen, die bereits in solchem Erleben stehen, mitteilungsweise über die wirkliche Gestaltung des „Jenseits” orientiert wird, das ihn nach seinem Erdentode erwartet.
So, wie in der physisch-sinnlich wahrnehmbaren Welt zwar die gleiche Anschauungsart erscheinungschaffend am Werke ist, aber doch die Welt der Ameise, oder die des Vogels, sich sehr wesentlich von der deinen unterscheidet, so gibt es auch gar mannigfache Unterschiede zwischen den Welten der geistig-sinnlich wahrnehmenden Wesen.
Es gibt unzählige geistige Welten, so wie es unzählige Welten physisch-sinnlicher Erscheinungsform gibt!
Höchste Formvollendung aber findet der individualisierte ewige Wille erst dann, wenn er sein individuelles Wollen, ohne jeglichen Rest einer Sonderstrebung, dem Allwillen zu einen vermag, im innersten Reich des Geistes: – dem Reiche der ursachesetzenden ewigen Wirkungskräfte des Seins: – in der Lichtwelt des einzig Wirklichen…
Darüber hinaus gibt es für den Menschengeist nichts, denn diese erhabenste aller Welten ist zeitlich, räumlich, und ihren Erfüllungsmöglichkeiten nach unendlich.
Soweit das „unbegrenzte” Sein, das „uferlose, unergründliche Meer der Gottheit”, dem durch die Formung des Willens bestimmten und darum begrenzten, – obgleich „unendlichen”, – Bewußtsein zugänglich ist, wird es in dieser höchsten Lichtwelt allein, in jedem der allhier geeinten ewigen Willen, seiner selbst bewußt. – –
Was ich dir in diesen drei Abhandlungen zu erklären suchte, schließt alles in sich ein, was der Mensch auf Erden und während dieses Erdenlebens erfassen kann vom innersten Mysterium seines Daseins, hier wie in der anderen Welt, die nach dem Erdentode ihn erwartet.
Alles übrige, was man dir über das „Jenseits” erzählt, – mag es phantastische Erfindung überhitzten Glaubens sein, oder gedankliche Spekulation, – ist: graue Theorie und wesenloses Hirngespinst!
Du sollst aber nicht an irgend ein „Weltbild” glauben, nur weil es auch andere Gläubige fand, denn nicht eher wird deine Seele im Frieden sein, als bis sie sich wiedererkannte: – als Selbstbezeugung des einzig Wirklichen.