Das Buch der Gespräche:

Das Reich der Seele

   Die Lehre von der Seele, wie sie in grauer Vorzeit  schon  die  Leuchtenden erkannten, will ich dir hier verkünden.

   Dies ist die Weisheit jener Wenigen, die auch heute noch im Lichte dieser Lehre leben. –

   Menschen  des  Westens  lehrten  andere Lehre, und selbst auch im Osten wirst  du selten  nur  dieser Lehre  der wahrhaft  durch Selbsterfahrung Wissenden begegnen…

   Dennoch wird jeder dich in  Irrtum  führen, der anderes lehrt!  – – – – – – – – –

 

   So höre denn, und verstehe in deinem Herzen:

 

   Urewig ist  des Menschen Geist,  anfanglos und ohne ein Ende. –

   Ewig  lebt  er in  eigenem,  wesenhaftem Lichte, denn er  selbst ist Licht, –  ein leuchtender Funke jener ewig sich selbst gebärenden  Sonne, die stetig sprühend ihren Funkenregen in den Raum ergiesst. – – –

   Nenne diese «Sonne» nicht «Gott», denn Gott ist etwas anderes!

 

   Schwer wird es werden, dir das begreiflich  zu machen. –

   Ich muss ein Wort aus der Alltagswelt gebrauchen, um dir verständlich zu werden,  und so sage ich dir denn:

   «Gott»  ist  das  subtilste Destillat  des Geistes, nicht  «der Geist»  in  seinem stetig sich gebärenden  Entbrennen!  – –

   Des Menschen ewiger Einzelgeist aber ist gleichsam ein Funke jener ewig sprühenden Sonne, ein Funke, in dem sich das Destillat des  Geistes bilden, – in dem sich der lebendige  Gott unendlichfältig gebären kann…

   Ewig gebiert sich  selbst die ewig sprühende Ursonne ewigen Geistes!

   Ewig sprüht  diese  kreisende  Sonne  ihre Geistesfunken,  als  Geister-Hierarchien  in den geistigen « Raum»!

   Die  «Funken»,  die sie   selbst aus  sich sprüht,  sind gleichsam noch selbst Riesensonnen,  doch  diese  sprühen  wieder  ewig «Funken», ewig «Sonnen» aus,  die wieder in gleicher Weise stets kleinere und schwächere «Funken» oder  Funkensonnen  sprühen…

   Was im Menschtier der Erde sich selbst  gefangen hat, der  Geistes funke,  durch den dieses Menschtier erst zum «Menschen» wird, ist keineswegs der kleinste dieser Funken.

   Du kannst deiner Vorstellung dadurch  am besten  zu Hilfe  kommen,  wenn  du  die «Grösse» dieses «Funkens» etwa im gleichen Verhältnis zu grösseren und kleineren «Geistesfunkensonnen» suchst, wie sie das Verhältnis der Grösse dieses Erd-Planeten zu grösseren oder kleineren Weltkörpern  zeigt. – – –

   Es lag im Wesen des  Geistesfunkens, der sich im  Erdenmenschentiere sein Gefängnis schuf, beschlossen, dass er das Reich  der Seele sich als Wirkungsfeld erkor,  und dass er schliesslich, um auch Herrscher in dem Reiche der Materie zu werden, nach einem «Körper», einem «Leib» der materiellen Gestaltung strebte.

   Ein solcher «Körper»  aber war  ihm bereits gegeben,  ein Körper, der wohl der  Materie verbunden,  doch nicht  ihr unterworfen war. – –

   Dass er aus Furcht vor der materiellen Wirkung seiner Kräfte sich mit dem Körper  des Menschentieres  der Erde verband, das erst gereichte seinem Streben zum «Fall». –

   Ein «Fall» ist dieses Streben, doch zugleich ein Tauchen in die tiefsten Tiefen, in denen ein  neues  Bewusstsein geboren  werden kann. – –

   Es verlor zwar der Geistesfunke  im Fallen das  Bewusstsein um  sich selbst, als einer Sonne des ewigen  Geistes, aber die  ewige Kraft, die ihm trotzdem innewohnen bleibt, treibt ihn wieder empor zu sich selbst, aufs neue sich selbst erkennend  bei seiner völligen Rückkehr, und dies in einer Herrlichkeit, die nur aus der Tiefe, in die er  gefallen war, zu erschauen und zu empfinden ist...................

   Uranfänglich muss jeder dieser  kleineren Geistesfunken, dieser kleinen «Funkensonnen», nach dem Reiche  der  Seele streben, und nur die Heftigkeit seines Strebens lässt ihn  das Ziel, das er eigentlich erreichen will, überschiessen. –

Zum  Reiche  der  Seele  muss  jeder  dieser Geistesfunken, will er sich seine Welt  gestalten und sich selbst  in  seiner  Wirkung finden.

   Vorher ist nur ein Wissen um sich selbst in ihm, als ein Wissen um sein reines Sein. –

   Im Reiche der Seele  erst wird er seiner eigenen Wirkungskräfte  bewusst. – – –

   Im Reiche der  Seele erst kann er nach seiner Göttlichkeit in sich verlangen und erst  im nach «Gott» verlangenden Geiste  kann sich das «Destillat» des Geistes gestalten, kann sich sein lebendiger «Gott» im Geistesfunken  «gebären». – – – – – – – – – – – –

 

   In jener ewig kreisenden,  ihrer  selbst allein in  ihrer unermesslichen Grösse  bewussten «Geistessonne», die ewig ihre «Funkensonnen» in den geistigen Raum ersprüht, –  dort ist kein Bedürfen nach einem «Gott», denn dort ist alles nur leuchtende Einheit des Seins...

   Damit aber«Gott» sein könne, muss etwas Empfindendes sein, das nicht «Gott» ist, nicht nur in  sich  selber kreist,  in  sich selbst  genug und vollendet...............

   Wie das  weisse  Licht  des  Tages sich zerspalten lässt in helle und dunklere Farben, also muss sich die Ur-Einheit des  Geistes gleichsam zerteilen in mancherlei Strahlen, wenn «Gott» sich im «Geiste» gebären können soll…

   Es müssen farbige Dunkelheiten im an sich farblos weissen Lichte des  Geistes werden, damit das gold-weisse Licht der Gottheit sich zeigen kann. – – – – –

   Dazu aber dient das Reich  der Seele.

   Ein jeder Menschengeistesfunke taucht ein in dieses Reich, und um ihn bilden sich, wie Kristalle in einer salzgeschwängerten Flüssigkeit, die   seelischen  Formen,  die  eure westliche Lehre: seine «Seele» nennt. – –

   Ihr glaubt im Abendlande hier, diese «Seele» sei  gleichsam ein abgeschlossener Leib  aus unsichtbarem,  fluidischem Stoff, und eure  Lehre lässt diesen Seelenorganismus mit eurer Geburt im  Fleische entstehen, damit er nie mehr euch verlasse, damit er, in der Zeit entstanden, ewig erhalten bleibe. –

   Eure «Seele» ist aber keineswegs dies festgefügte, in sich Geschlossene,  denn das Reich der Seele ist ein unsichtbares, fluidisches  Meer, in dem es keine unveränderlichen Formen gibt, ausser jenen unzählbaren Kräften, die man als Seelen-Atome bezeichnen könnte, und die zeitweilig euere Seele bilden,  sie aus sich gestalten; doch in jeder «Seele» sind es  jeweils ihrer Tausende, und mehr  als tausendmal Tausende! – – – –

 

   Sobald das, was  ihr ‘wirklich im  höchsten Sinne seid, jener ewige Geistesfunke, das Reich der Seele erreicht, sobald er eintaucht in dieses fluidische Meer, – schiessen diese Milliarden von Kräften um ihn  zusammen und werden von dem Eigenlichte des Geistes erfüllt.

   Der Geistesfunke aber strebt  tiefer und tiefer, bis auf den Grund dieses Meeres, wo ihm die furchterregenden Kräfte dann begegnen, die ihn verleiten, im  äusseren Reiche  der  dichtesten  Materie Schutz zu suchen, so  dass er sich  dem  Menschentiere eint,  und  sich  in seiner Form verliert.

   Aus einer Mutter Leibe wird er nun hier als der Mensch  der Erde geboren.

   Stetig aber bleibt er, auch auf dem «Grunde» des Meeres der Seele, in seiner Hülle von Fleisch und Blut, von dem Meere umschlossen. –

   Allmählich lernt er die Formen, die  sich um ihn kristallisieren, im eigenen, wenn auch sehr verdunkelten, Geisteslicht erkennen.

 

   Nicht  zum  ersten   Male  bildeten  diese Kräfte solche Formen!

   Sie dienten schon vielen Menschengeistesfunken in früherer Zeit und werden sich stetig wieder lösen und wieder von neuem ähnliche Formen bilden, bis  der Impuls, der sie einst Form zu bilden zwang,  durch einen Menschengeistesfunken   völlig   zur Auswirkung kommt,  bis  dass   ein  Menschengeistesfunke alle Kräfte  dieser Form in seinem Willen zu einigen weiss. – – –

 

   So  kommt  es, dass  du  in  deiner  «Seele» Klänge findest, die nicht erst in diesem deinem Erdenleben zum erstenmal erklangen, und dies verführte die Völker des Ostens zu jenem Glauben, als ob der Menschengeistesfunke oftmals diese irdische tierhafte Einkörperung zu überstehen habe. –

Dem ist aber nicht  so, wie man im Osten glaubt, und wie auch im Abendlande heute gar viele annehmen möchten.

   Zwar  gibt  es  Fälle,  gleichsam des «Misslingens»,  in denen zweimal einem Menschengeistesfunken jener tiefste Fall zum Triebe wird, allein es sind dies Sonderfälle, die so selten sind, dass sie  der Regel  keinen Abbruch tun.

   Selbstmord und früher Tod, auch allzu dichtes  Einverkrusten  in  die  dichte Tiereshülle können diesen Trieb zur Wieder-Inkarnierung schaffen, allein auch hier nur in besonderen Fällen, die nicht allzuoft sich ereignen.

   Du findest  in dir vielleicht Menschen früher Vorzeit wieder?!

   Du kannst, wenn du einmal zu den Erwachten des Geistes gehörst, selbst ganze Lebensläufe zum Erklingen bringen, und dies Erinnern deiner Seelenkräfte wird dann dir bewusst, – dem heute  auf der Erde  Lebenden, – allein, nicht du  warst jener,  den du heute also neu  erlebst! – – – – –

   Du trägst nur jene Seelenformen, die in seinem Erdenleben sich  gestaltet hatten und nicht in ihm zum letzten Ausgleich  der geschaffenen Impulse kamen.– – –

 

   Was du deine «Seele» nennst, ist ein stetig wechselndes Gebilde im  Meere der Seelenkräfte, im Reiche der Seele.

   Jeder  Gedanke, jeder  Willensimpuls, jede Tat kann  dieses  Gebilde sogleich verändern. –

   Du wirst, wenn du nicht ganz im Materiellen verkrustet bist, von Jahr zu  Jahr eine andere «Seele» haben, und  nach  den Lehren uralter Weisheit wirst du  sicher  alle  sieben Jahre völlig  andere  Seelenkräfte bei dir  tätig  finden. –

   Gewisse Seelenformen werden sich  auch bei dir  wiederholen, und jene, denen  du nicht zur Vollendung verhilfst, wirst du den Menschengeistesfunken  hinterlassen, die  einst, in späteren Tagen, dieses  Erdendasein durchleben müssen.

   Mit dieser Hinterlassenschaft verbunden ist stets die Möglichkeit des Rückerinnerns an das Erdenleben dessen, von dem sie stammt.

   So kann sich ein anderer einst auch deines Lebens erinnern und zu dem Irrglauben kommen, er habe dein Leben einst hier gelebt…

   Das Reich der Seele hält dich so umschlossen, dass du niemals seine Grenzen finden oder gar überschreiten könntest. –

   Mit den an dich jeweils kristallisierten Seelenformen,  die  in  steter  Veränderung  sind, wirst du dich  immer in diesem fluidischen, und irdischen Augen unsichtbaren «Meere der Seelenkräfte» bewegen. – –

   Aber auch nach dem «Tode» des tierischen Erdenkörpers wird dir  dort  nichts zu völliger Macht  verhelfen, bevor  nicht  alle  Impulse, deren Erzeuger du während  deines  Erdenlebens warst, in späteren Menschenleben ihre restlose Auswirkung fanden. – –

   Du selbst kannst  deine Seelenformen  dann nicht mehr ändern!

   So wie sie waren, als dein Erdentiereskörper dieser Welt der materiellen Kräfte nicht  mehr genügen konnte, so wirst du sie behalten müssen, bis zu jenem Tage,  da auch der letzte der von dir  geschaffenen  Impulse  durch  einen später hier lebenden Menschengeist seine Auswirkung  fand…

   Jedoch, fürchte  dich nicht!

   Die vor dir im Reiche der Seele zu freien Beherrschern  wurden, werden dir dort zur Seite stehen, und die Zeit bis zu deiner wahrhaften «Auferstehung» wird nicht  ungenützt verstreichen, auch wenn  es  sich  um «Jahrtausende», nach irdischem Zeitbegriff, handeln sollte. –

   Wie aber du dann auf den letzten deiner Erlöser harren magst, so warten heute Menschengeister,  die  in  früher  Vorzeit  auf  der Erde im Fleische waren, – auf dich! – – –

   Siehe zu, dass in deinem Leben den letzten Ausgleich findet, was du von jenen früheren in dir trägst!

   Siehe zu, dass du auch nicht neue Impulse schaffst, wenn du nicht selbst gewillt  bist, sie in deinem Erdenleben zum völligen Erschöpfen zu bringen!

   Du sollst zwar auch neue Impulse schaffen,  aber  nur  solche, denen  du sicher  in deinem Erdenleben selbst genügen kannst, nach menschlichem Ermessen. – – – – – –

  Was nützt es dir, wenn du  Impulse schaffst, die deiner Ansicht nach das Wohl der ganzen Welt bezwecken, wenn aber deiner Hand sich dann entwindet, was du also schufst, bevor du selbst imstande warst, das so Geschaffene zum Ausklang hinzuleiten! – – – – – – – – – – – – – –     

   Dir und anderen wirst du so nur  Leiden schaffen, denn im Reiche der Seele kann nichts verursacht werden, ohne bis  in seine letzten  Konsequenzen  durchzuwirken  durch Jahrtausende...

 

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   Die Lehre von der  Seele, so wie sie die «Leuchtenden» schon in grauer Vorzeit fanden, so wie sie die «Wissenden» wissen, die gar wenige sind, habe  ich dir hier in einfacher Rede vorgetragen.

   Wenn du klarsehende Augen hast, und nicht von Vorurteilen geblendet bist, dann wirst du diese  Lehre  in  vielem  wiedererkennen,  das Wahrheitswissen und Täuschungswahn zu bunten Arabesken verwoben  hat.

   Vielleicht  auch  fasste  meine Hand  allzufest deinen Lieblings glauben, deinen  Lieblingswahn? – –

   Aber täusche dich nicht!

   Weder im Sinnenreiche, noch im Reiche der Seele richtet sich das Geschehen jemals nach deinem Bedünken! – – –

   Es sind in allen Reichen des Universums sichere  Wege gebahnt,  und nur  auf  diesen Wegen bewegt sich Leben und Werk. –

   Du kannst nicht  neue Wege bahnen, auch wenn nach deines Verstehens Ermessen  die alten Wege dir nicht gangbar erscheinen!

   Es gibt heute  viele im Abendlande,  die den Wahrheitskern  in  den  Lehren  des   Ostens ahnen…

   Jedoch,  sie glauben  blind, dort,  wo  sie sehend sichten sollten. – –

   Du wirst in keinem Volke eine «fertige» Lehre finden, die dir alle Wahrheit restlos enthüllt!

   Allüberall aber wirst  du  auf Spuren der Weisheit stossen, und wohl dir, wenn du sie erkennst! – – 

   Du  wirst dann manchen langen Umweg vermeiden lernen!

   Auch wir wollen dich nur vor Wegen behüten, die lange Umwege wären.

   Dazu diene dir diese Lehre.

 

   Wir geben  dir nur,  was wir aus  Selbsterfahrung  gewisslich  wissen, nachdem auch wir vor Zeiten einst nur glauben konnten, als wir solches hörten. – – – – – – – – –