Die Ehe:

Von Versuchung und Gefahr

 

Wo Liebe eine Ehe schuf, dort ist die Einheit  beider Eheteile so  gegründet und  umhegt, daß selten  nur von außenher noch Störung gegenseitigen Empfindens kommen kann…

 

Und doch bleibt keine Ehe so geschützt,  daß  ihr Versuchung nicht  zu nahen  wüßte!

 

Stets aber wird es sich beim Nahen der  Versuchung zeigen, ob eine Ehe wirklich in  der echten Liebe  wurzelt, oder  ob nur  Neigung  Mann und  Weib zusammenführte,  – Neigung, die auf beiden Seiten auch sehr leicht durch andere Neigung wieder zu verdrängen ist…

 

Wo eine Ehe wurzelfest in  echter Liebe gründet, dort wird auch heftigste Versuchung  ihr  nicht Schaden  bringen können!

 

Selbst   wenn  Versuchung  nur  durch schweren  Kampf  sich  noch  besiegen läßt, wird doch  zuletzt die Liebe Sieg erringen, denn alle  Kräfte  der Versuchung  sind nicht fähig, weiter  Widerstand zu leisten, sobald sich echte Liebe ihrer Kraft bewußt wird, und aus dieser Kraft  heraus  bekämpft,  was  sie bedrohen will! – – 

 

Trotz  allem  aber  sollst  du  wachsam sein, und nicht  erst warten,  bis Versuchung  so erstarkt, daß sie  nur noch durch schweren Kampf besiegbar ist!

 

Du kannst  dich selbst zu solcher Wachsamkeit erziehen, so wie du dich auch leichten Sinnes  der  Versuchung überlassen kannst,  bis  sie dich hart bedrängt und  starke  Gegenwehr erfordert. – –

 

Versuchung kann dir allerorten nahen, auch wenn du sie gewiß nicht suchst, ja dann auch, wenn du sorglichst deine Wege wählst, um ihr nur ja nicht zu begegnen,  da sie deine Furcht  erregt. –

 

Versuchung   aber  ist  noch   keine „Schuld”!

 

Erst, wenn du anfängst, ihr Gehör zu schenken, – sie dir zu nahe kommen läßt, –  sie hegst und mit ihr spielst, – wirst du dich  wahrlich nicht  mehr schuldfrei wähnen dürfen! – –  

 

Auch wenn du  noch  zu  gutem  Ende Sieger  bleibst, hast du dich doch mit schwerer  Schuld  beladen,  und  wirst nunmehr nicht ruhen  dürfen, bis alle Folge dieser Schuld aus deinem Leben schwindet! – – –

 

 

Vielleicht  wirst du  dir  selbst  gestehen müssen, daß du gar oft nicht wachsam warst,  wo Wachsamkeit von  dir gefordert werden konnte? –

 

Vergeblich wäre es, wenn du dich nun in Selbstquäl winden wolltest!

 

Du wirst nun jetzt mit allen Selbstvorwürfen nichts mehr ungeschehen machen können, und  deines Fehlers  Spuren kannst  du nur aus  deinem Leben tilgen,  wenn du dafür sorgst, daß  alles Übel,  das aus ihm  entstand und noch entstehen könnte, an  seiner Auswirkung verhindert wird. – – –

 

Aus jegficher Erfahrung sollst du Lehre ziehen, und  so wird dich dein  Straucheln  lehren  können,  wie  du durch Wachsamkeit dich künftig frei  von Schuld erhalten kannst, auch wenn du nicht  imstande sein wirst, der Versuchung immer auszuweichen…

 

Die leiseste Empfindung mußt du kontrollieren lernen, mußt sie wägen, und im selben Augenblicke von dir weisen, in  dem du fühlst, daß  sich  in ihr bereits  Versuchung  zu verbergen trachtet!

 

Erkennst  du so  das  Feindliche sogleich, wenn es  sich naht, dann wird es immer leicht  sein, es zu überwinden, und niemals wirst du wirklich – in des  Wortes letztlicher Bedeutung – „in Versuchung fallen”! – – –

 

Nur, wenn du Wohlgefallen  an der ersten  Regung der  Versuchung  findest, wird Versuchung dir zur Schuld!

 

 

Es kann dir großer Kraftzuwachs aus der Versuchung kommen, wenn du stets wachsam  bleibst und sie  in jeglicher Verkleidung zu erkennen suchst, um ihr den Zugang in dein  Inneres zu wehren.

 

–  Ein jeder Mensch hat  irgendeine „schwache Seite”, und stets wird die Versuchung seine  Schwäche auszuspüren wissen. –

 

–  Begegnest du jedoch dem  ersten Nahen schon mit Abwehr, und mit einem „Nein”, das kein Paktieren kennt, dann wirst du immer mehr, – gerade dort, wo Stärkung dir vonnöten ist, – erstarken! – –

 

Du wirst durch deine Wachsamkeit dich gänzlich wandeln, so  daß  dir jegliche Versuchung ungefährlich wird, weil Abwehr dir  Gewohnheit  wurde, und die Versuchung dann vergeblich eine unbewachte Pforte sucht, durch  die sie Einlaß zu dir finden könnte!…

 

Dann aber erst bist du geborgen, und dann  erst  darf  man  dir Vertrauen schenken!

 

Dann erst wird deine Ehe so behütet sein, daß sie  dir alles geben kann, was sie, in unerschöpflich reicher Fülle, Mann und Weib, die wert sind, ihr Mysterium zu erleben, stetig neu zu geben  hat! – – –  

 

 

Du trägst nicht nur für dich allein die heiligste  Verantwortung,  sobald du dich dem Anderen verpflichtet hast, mit ihm die Geisteseinheit einer Ehe aufzurichten!

 

Die Ehe ist auch nicht nur: – „menschlicher Vertrag”, obwohl der andere Eheteil ein unbedingtes Recht an dich erlangte, und du ihm dann selbst noch die „Treue” schuldest, wenn  er  betrügerisch sie  bricht. – –  – 

 

Ein jegliches Gelöbnis zwischen Mann und Weib, in dem sich beide Teile eheliche Einung dargeloben, stellt vielmehr ein kosmisches Geschehen dar,  und bindet  nicht nur beide Ehegatten, – bindet nicht nur aller Menschheit gegenüber,  sondern  reicht  mit  seinem „Jawort” auch hinein in höchste Geisteswelt! – – –

 

Es wird nur lösbar,  wenn der  „Tod” die beiden Eheteile scheidet, oder, wenn – durch  triftigste und schwerste Gründe – beide Teile sich gezwungen sehen,  sich  gegenseitig voneinander  zu befreien, indem sie, – ebenso gemeinsam, wie  es einst geschlossen wurde, –  ihr Gelöbnis vor einander, vor aller Menschheit, wie auch vor dem  wesenhaften  Geiste  widerrufen, – es sei denn, daß der eine Teil, auch ohne solchen  Widerruf,  den anderen  verlasse, oder sonstwie ihm unmöglich mache, das Gelöbnis aufrechtzuerhalten…

 

Solange  also  dein   Gelöbnis noch  zu Recht besteht, bist du in dreifacher Verpflichtung, aus der kein  „Gott” dich zu befreien wüßte! – – 

 

Es wird Verantwortung von dir gefordert werden, auch wenn du während dieser kurzen  Spanne Zeit, – die auch das längste  Erdenleben darstellt vor der Ewigkeit, – dich jeglicher Verantwortung entzogen wähnst! – – –

 

Daß Andere Versuchung suchen und ihr keinen Widerstand  entgegensetzen, kann niemals dich von deiner Schuld entlasten!

 

In deiner Ehe bleibst du für dich selbst verantwortlich, und Niemand kann  dir helfen die Verantwortung zu tragen, – Niemand kann sie von  dir  nehmen, – wenn man dich hier auf Erden auch entschuldbar  finden mag!

 

Auch vor dem Angesicht der Ewigkeit magst  du vielleicht „entschuldbar” sein, und doch bleibst du verhaftet der Verantwortung,  so  daß du alle Folge deiner selbstgeschaffenen Impulse tragen mußt, bis auch der letzte seine  Auswirkung  erreichte in   der Kette des Geschehens! – – –  

 

 

Einst  lehrte  Einer,  der  dies wahrlich aus  dem  Geiste lehren durfte, daß da ein Jeglicher schon Ehebruch begehe, der durch  den Anblick eines Weibes sich verführen  lasse, es auch leiblich zu begehren.

 

Man hat an  diesem Wort vielfach sehr wenig  Wohlgefallen,  und  suchte  es zu drehen und zu deuteln, da es so manchen nicht behagen will. – 

 

Ich aber muß dir  sagen, daß  auch  schon jedes  Hegen und  geflissentliche Steigern   der   naturbedingten Schwingung der Erotik  zwischen Mann  und Weib, –  sobald  es einem anderen  Menschen,  als  dem  eigenen Ehegatten gilt, – die Ehe  schändet, auch wenn sich solche  Steigerung noch keineswegs dem  leiblichen  Begehren nähert, und somit  noch nicht zum  Ehebruch im  Unsichtbaren führt! – – –

 

Selbst wenn du durch ein Abbild dich verleiten  läßt, geschlechtsbewußte Regung zu empfinden und dich ihr zu überlassen, – schändest du die Ehe! – – – 

 

 

Du  mußt dich  selbst  dazu erziehen, Schönheit auch  am  anderen Geschlecht bewundernd zu betrachten, ohne auch die leiseste Erregung der Erotik ins Bewußtsein einzulassen!

 

Jeder wahre Künstler, dem die menschliche Gestalt zum Vorbild seiner Schöpfung wird, muß solcherart sein Vorbild sehen lernen und kann dir sagen, daß in seinem, von Erotik völlig losgelösten  Schauen, wundersame seelische Beglückung möglich ist, die jedem sich  versagt,  der  hier  geschlechtsbewußte Regung hegt, und niemals dem Begehrenden erreichbar wird…

 

Daß du auch Künstler finden kannst, die selbst ihr Können noch zum Makler der Begehrlichkeit erniedrigen, kann dir nur zeigen, daß auch Künstlertum nicht schützt vor niedriger Versklavung an die  Tiernatur,  wenn sich der Mensch  nicht  selbst aus  solcher Sklaverei befreien will. – – –  

 

 

Du kannst nicht streng genug dich selber kontrollieren,  willst  du dich lösen aus  der Hörigkeit,  und dein Geschlechtliches beherrschen  lernen! – – –  

 

Jede dich umschleichende Empfindung, die vor allerstrengster Prüfung nicht bestehen kann, mußt du entweder von dir weisen, oder aber sie  in  Bahnen zwingen, die sie völlig der  Geschlechtlichkeit entziehen!

 

Laß’ dich nicht irreführen durch die laxe Art, in der man meistens diesen Dingen gegenübersteht und sie als leichthin läßlich „Menschliches”  betrachtet, ohne sich der  Schmach bewußt  zu  werden, die man schon durch das Wort allein auf seinen Menschennamen wirft! – – 

 

Wo immer du es nicht vermagst, die Anderen aus ihrer  Tiergebundenheit insoweit  loszulösen,  daß  sie  selbst zu Willen kommen um sich  völlig ihr dann zu entwinden, dort sollst du Nachsicht üben,  bis auch  einst  noch ihre Stunde schlagen wird!

 

Wo sie jedoch dich selbst behindern wollen,  deine  Freiheit  zu erringen, dort ist Abkehr heilig-hohe  Pflicht! – – –

 

 

Ich lehre  nicht, daß  man Versuchung immer meiden  könne,  sondern zeige, wie man ihrer sich erwehren kann!

 

Auch wenn du aus der Welt entfliehen wolltest, würde  dich Versuchung noch in deiner fernsten  Einsamkeit  zu finden wissen…

 

Du mußt  dich so erziehen, daß du  ihr allerorten und zu jeder Zeit  begegnen kannst, –  des Sieges  schon  im voraus sicher, – nicht mehr erregbar, mag sie auch  mit allen Künsten  locken: – gelassen in der Abwehr, und bestimmten Willens!

 

Dann wirst du nicht nur deine Ehe heilig halten und vor jegficher Beschmutzung wahren, sondern dir  und dem mit dir vereinten  Menschen  auch gar  vieles Leid ersparen, selbst wenn es nur das Leid  vorübergehender  Betrübung wäre, was der nächste Tag schon wieder wenden könnte. – – –

 

 

Noch andere Gefahr jedoch, – kaum minder groß als die  Versuchung, die von  außenher zu kommen scheint, da du im Äußeren  den Anlaß ihrer Auslösung gewahrst, – kann aus Empfindungstiefen her der Ehe Glück bedrohen.

 

Auch hier ist Warnung nötig, und auch hier  ist vieles Unheil  leicht noch abzuwehren,  wird  sogleich erkannt, daß Pflicht besteht, Gefahr zu bannen…

 

 

Es gibt in jedem Menschen dieser Erde einen inneren Bereich, den er kaum selber kennt, und den er noch viel weniger vor irgend einem Nebenmenschen völlig offenbaren  kann, – nicht, weil hier Heimliches  verschwiegen  werden müßte, oder zu Erhabenes sich nicht in Worte fassen  ließe, – sondern: weil der Mensch hier selbst zu wenig von sich selber weiß…

 

Nun kann es kommen, daß  die Einung zweier  Menschen  in  der Ehe sie verleitet, auch noch dort nach gegenseitiger Entschleierung zu streben, wo unabweisliches  Gebot: Verhüllung  heischt, – und daß sie dann urplötzlich in Entsetzen sich vor einer gegenseitigen  Enttäuschung sehen, die sie selbst heraufbeschworen haben, und der nur  selbstgeschaffene Phantome, die das Eigenbild  in  wahrheitswidriger Verzerrung zeigen, mehr als fragliche Gewähr verleihen. – – – 

 

Man glaubt, man müsse  sich einander bis  ins  Innerste  enthüllen,  und schreckt  alsdann zurück, wenn man sich endlich seelisch nackt zu sehen meint, – nicht  ahnend,  daß man vor einander gegenseitig  nur  Popanze schuf  und ihnen nun mehr  glaubt als aller Wirklichkeit. –  

 

Zwei Menschen, die sich stets im Allertiefsten  nur als Eines  fühlten,  werden sich nun fremd, weil sie in Worten wahr sein  wollten,  dort, wo Worte  nie  die Wahrheit wissen können…

 

 

Ein  äußeres Geschehen, ein Begegnen, oder sonst  ein Anlaß,  der von außen kam, läßt unversehens Zweifel keimen:  ob man sich noch  ganz  „gehöre”, und allsobald mißtraut man aller Sicherheit des Fühlens, um in sich zu wühlen und zu bohren, bis  man sich endlich nun in Herz und Nieren aufgefunden wähnt.

 

Lebendigen Leibes hat man sich seziert, und  da man sich  auf diese Weise niemals finden konnte, formte man aus eigenen  Eingeweiden das Phantom, in dem man so recht eigentlich sich selbst zu haben meint. –  

 

So zeigt  man nun einander diese Ausgeburt  des Wahns, und, schreckerfüllt, fühlt man sich von dem Anblick abgestoßen. – –  

 

Gar arges Unheil ist auf solche Art aus reiner Torheit nur geschaffen worden, und manche Ehe, die vor Gott bestehen bleiben sollte, wurde so zerstört durch einen Wahrheitswillen, der zum Irrtum führen mußte, da er den Worten mehr vertraute, als der inneren Gewißheit fühlenden Erlebens, in der allein die Wahrheit für ihn auffindbar gewesen wäre…

 

 

Es ist jedoch nicht nur nicht nötig, daß man  alles  voreinander   auszukramen suche, was dort, wo man sich selbst kaum kennt,  als  dunkle Regung das Gefühl beirren will: – es ist vielmehr in jedem  Fall verderblich, diese  Dinge, die im Lichte eigenen Bewußtseins noch molluskenhafte Formen zeigen, und bald hell, bald dunkel, in  der  widerstreitendsten Verfärbung schillern, geflissentlich hervorzuzerren,  um  sie in die  Form bestimmter Worte einzupressen! – –

 

Schnell ist ein Wort gesprochen, dessen Folgen selbst in einem langen Menschenleben nicht mehr auszumerzen sind!

 

Bei solchen dunklen  Regungen jedoch, die keine klarbestimmten Formen zeigen können, wird außerdem das Wort stets fälschen, wird vergröbern  und verstärken müssen, soll es das noch Unsagbare, Ungeformte formen und zu sagen suchen…

 

Es werden Worte dann gesprochen, vor denen man erschrickt, noch  während sie die Zunge schrill hervorzustoßen sich gezwungen  fühlt, als  hetzten  sie Dämonen…

 

Im nächsten Augenblicke  möchte man das so Gesagte auch schon widerrufen, hätte man nicht, ungewollt, schon wieder weit verletzenderes Wort auf seinen Lippen…

 

Worte, die  man gar  nicht  sagen wollte, tauchen aus Tiefen auf, um die man niemals wußte, und diese Worte haben  überzeugende  Gewalt,  für uns, wie für  den Andern, obwohl sie alles Andere eher, nur nicht der Wahrheit Zeugnis sind…

 

Wurden sie jedoch nun einmal ausgesprochen, so holt sie keine Macht der Erde wieder in das Unerkennbare zurück, und selbst  dem späteren, ernsten Widerruf wird  man  nur  zögernd schwachen Glauben  schenken können. – –

 

Und doch hat man sich gegenseitig nur aus einem tollen Wahn  heraus  belogen, – derweil  man sich nun endlich, – so als ob es nie geschehen wäre, – „die Wahrheit” sagen wollte! – –

 

Besonders dann, wenn gar noch Zorn und Heftigkeit den Worten Wirkungskraft zu sichern suchten! – – – 

 

Bei ruhigem  Betrachten wird man bald bemerken, wie der Schein der Wahrheit solchen Worten schwindet, – ja, oft wird  man entdecken, daß nur das Gegenteil von dem, was man in seinem Wahn als  „wahr” empfunden hatte, der Wahrheit unverfälschte Darstellung geschaffen hätte…

 

Nun aber kommt Erkenntnis leider viel zu spät, und  Reue  wird jetzt  wenig ändern  können. – – –  

 

 

Will  man das  Unheil, das sich aus zu früh  geborenen  Worten  immer neue Nahrung saugt, dann wieder aus  der Welt zu schaffen suchen, so hat man wahrlich seine bittere Not, – und schafft man es auch endlich fort, so wird es doch noch  immer  Spuren hinterlassen,  die niemals  gänzlich  zu  verwischen sind. – – – 

 

Unendlich leichter aber wäre es gewesen, sich die Rede vorher zu verwehren, und Dinge, die kein Recht besaßen, Wort zu werden, niemals auszusprechen! – – – 

 

Was sich in jenem inneren Bereich, in dem der  Mensch  sich  selber fremd bleibt,  zu  verbergen trachtet, das  hat guten Grund,  Verborgenheit zu  fordern, und niemals  soll man es gewaltsam in das grelle Licht des Tages zwingen wollen!

 

Was Ruhe braucht, wird man am besten stets in seiner Ruhe lassen, damit es nicht in  wilder Wut zerstöre, was es auferbauen soll! – – 

 

Auch in dem  Streben, seine  eigene Tiefe zu ergründen muß man sich bemeistern lernen, damit man nicht versucht wird, Tiefen auszuloten, die grundlos sind, – und dort das Leben störe, wo es erst nach Formung  drängt, die nur in  steter Ruhe sich gestalten kann…

 

Dann aber  wird sich jede dunkle Regung innerer Beirrung als ein Durchgangsstadium völlig andersartiger Empfindungsbildung zeigen, – denn stets, wenn sich Empfindung feste Form erschaffen will, bedarf sie eines Gegensatzes, den  sie  sich selber  setzen muß, um ihn zu überwinden! – – –

 

 

Zwei Menschen, die in ihrer Ehe ihrer Liebe sicher sind, und doch sich täglich neu erproben wollen, um sich auch in Worten ihre Liebe zu  „beweisen”, begeben sich nur in Gefahr, das Glück, das sie sich schaffen sollen, zu zerstören, noch bevor es sich aus seinen Fundamenten frei erheben kann!  – 

 

Was dir dein  innerstes Gefühl beweist, dem sollst du nicht  noch Wortbeweis zur Seite stellen wollen!

 

Auch dann nicht, wenn dich eine dunkle Regung unklar wogenden Empfindungswebens  in dir selbst  beirrt, so daß, was  vorher im  Gefühl  gesichert war, dir nun zur Frage wird! – – 

 

Warte  gelassen in dir selber Antwort ab, und übe Schweigen, bis du sie erhalten  hast!

 

Im  Schweigen wirst du  alle  Störung deines Fühlens sicher meistern!

 

Im  Schweigen wird  dir deine Ruhe wiederkehren, und  bald wirst du erneut auch wieder deines Fühlens sicher sein!

 

Dann aber wirst du dich  vor jedem Wort entsetzen, das da vordem schon auf deiner  Zunge schwebte!

 

Dankbar wirst du deinem Schweigen  sein!…

 

Vor  vielem Unheil hat es deine Ehe dir  behütet. – – – 

 

Jetzt aber  wirst  du wahrlich  reden dürfen!

 

Glück und Freude hast du neu errungen, und von Glück und Freude wird nun  jedes  deiner Worte zeugen!

 

Nur schaudernd denkst du noch zurück an jenen dunklen Tag, der dich schon in Versuchung und Gefahr sah, zu verfluchen, was du nunmehr aus ganzer Seele segnen mußt! –

 

Wahrhaftig: – daß du schweigen konntest, wo die Rede Fluch gewesen wäre, – das wird nun deiner Ehe Segen! – – –