Geist und Form:

Des Leides Form

Auf deinem  Leidenslager liegst du in  arger körperlicher Not, und allzuschwer erscheint es dir, in solchem Leide noch danach zu streben, auch dein Leid zu formen…

Angstvoll spähst du vielmehr nach äusserer Hilfe  aus,  und jedes Tränklein dem du dein Vertrauen schenkst, erscheint dir weitaus wichtiger als solches Tun…

In  guten Tagen  meintest  du vielleicht,  du seiest  längst  schon «über  alles  Irdische  erhaben». –

Nun musst du sehen,  wie  gar sehr du noch der Erde verhaftet bist. – –

Aber du willst es  nicht fassen, dass  deine geistige Kraft dich aus der Verhaftung lösen könnte, auch wenn sie vielleicht nicht völlig dich befreit. –

Gewiss, dein armer Leib ist so geplagt, dass er seiner Sinne kaum noch mächtig is…

Du kennst nur noch das eine Flehen: – dass deinem Leide ein Ende werde…

Wie Hohn erscheint es dir da, von einer Formung auch des Leides zu reden. –

Ach siehe: ich weiss dein Leid wahrhaftig zu empfinden, denn selten nur war ich völlig vom Leide verschont. – –

So darf ich wahrlich auch vom Leide reden und von  des Leides Überwindung durch die Form in der man es zu ertragen weiss…

Ich selbst weiss nur zu gut, wie sehr des Körpers Leid auf einem Menschen lasten kann und wie es dennoch durch Formung zu bändigen ist. –

Es übersteigt fast alle Vorstellung, was durch geistige Formung bewirkt werden kann, und wie durch geistige Einstellung das Körperliche, wie quälend es auch sei, stets noch zu bezwingen ist. – – –

Was du kaum  noch ertragen zu  können glaubst, solange du zeterst  mit  dir selbst und haderst mit deinem Schicksal, das wirst  du alsbald überwinden, so du es willig erträgst, als sei es mit der dir gemässesten Form deines Lebens ganz selbstverständlich verknüpft, – als könne  es garnicht anders sein. – –

   Wohl dir, wenn du körperliches Leid so entwerten lernst, dass du es nicht mehr achten musst!

Solange du noch deinem Leide dich übergibst wie ein Sklave seinem grausamen Herrn, von dem er zitternd der Peitsche Hieb erwartet, hast du deinem Leide noch nicht die Formung gegeben, die deiner würdig ist! –

Nur mit  «Ver-Achtung» sollst du  deinem Leide begegnen, und  nur  als sein Verächter wirst du seiner Herr!! –

 

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In gleicher Weise musst du nach Herrschaft streben, auch bei allem anderen Leide, das dir begegnen mag!

Auch seelisches Leid will dich erniedrigt sehen und über dich herrschen! –

Auch davon weiss ich genugsam zu sagen und rede auch hier  gewiss nicht als einer, der von ihm fremden Dingen spricht! – –

Ich fand aber viele  die ihr seelisches Leid so sehr liebten, dass sie es kaum von sich lassen wollten, als es sie von  selbst verliess…

Dieses ist wahrlich nicht die rechte Art, dem Leide zu begegnen, das die Seele niederdrükken will!

Auch dem seelisches Leid sollst du beherrschen lernen  und in eine Form zu zwingen wissen, die deiner würdig ist! – –

Solange du noch «grübelst» in dir selbst, um etwa deines Leides letzten Sinn zu «ergründen», gräbst du nur deiner Kraft  des Widerstandes eine Grube!…

Der «Sinn» deines Leides ist nicht zu ergraben, denn wahrlich: – nicht eher hat dein Leid einen «Sinn», als bis du selbst ihm einen gibst, und nur in diesem Sinne kann es «sinnvoll» für dich werden! – –

Dein Leid mag bitter zu verkosten sein, doch  sollst du selbst  dich nicht durch dein Leid verbittern lassen! –

Dein  Leid mag dir «gross» erscheinen über alles Mass, doch sollst du selbst deine Grösse nicht von deinem Leide erborgen! – –

Du sollst deinem Leide keinen Altar errichten in dir selbst, und sollst es nicht in erhobenen Händen vor dir einhertragen wie ein Heiligtum!

So  wie  du  körperliches Leid ver-achten lernen musst, so wirst du das Leid deiner Seele verarbeiten lernen müssen: – verarbeiten zu einer Form die dir dienen muss, dich selber zu formen! – – –

Auch  deinem Leide darfst du dich  selbst nicht überlassen!

Du  musst dich selber über dein Leid  erheben und ihm gebieten lernen!

Du selbst bist  das Bleibende, – dein Leid aber ist  vergänglich, und es ist Lüge, wenn es dich betören will, an seine Dauer zu glauben! – –

Lerne dem  Leide Schranken setzen, die es formen müssen nach deinem Willen! – –

Des Unheils Wirkung wird dein Leid nur zeigen, wenn du es nicht zu bändigen weisst! – –

Nur als Überwinder deines Leides  aber kannst du in den Geist gelangen!

Dich selbst  musst du  wahrlich  höher werten als dein Leid, denn in  dir  selber  will sich des  Geistes  Funkenstrahlenlicht dir offenbaren! – – –