Der Sinn des Daseins:

Die Sünde der Väter

 

AHRLICH: — du bist dir selber ein Rätsel, das du noch nicht lösen kannst!

 

  Zwar  hat man  dich belehrt von früher Jugend auf,  und dir gesagt, wie Andere  voreinst das  Rätsel lösten, das sie in sich selber fanden,  allein — es kam für dich  ein Tag,  an  dem dir jede  Antwort Anderer nur neue Frage weckte in dir selbst…

 

  Du wolltest in dir selbst zum Frieden kommen und wurdest immer mehr gewahr, daß dir gar wenig  dabei helfen konnte, was einst Frühere befriedigt hatte…

 

  Nun hast du —  müde und verzichtend — aufgehört zu suchen nach der Lösung deines Lebensrätsels…

 

  Nun bist du angelangt bei der vermeintlichen  Erkenntnis,  daß  deinen Fragen hier auf dieser Erde niemals eine Antwort werden könne: — eine Antwort, die zum Frieden führen  würde…

 

  Und doch,  mein  Freund, soll dir  wahrhaftig  solche Antwort werden!

 

  Ich will dir gerne zeigen, wie  du selbst dich dir enträtseln  kannst!

 

  Um  aber  dahin zu gelangen,  wirst du erst begreifen lernen  müssen, daß rechte Antwort immer nur der rechten Fragestellung folgen kann, — so daß die Vielen  die  du  klagen hörst, daß ihnen niemals  die  erhoffte Antwort wurde, weit  eher  zu beklagen hätten, daß sie nie die rechte Fragestellung fanden. — —

 

 

  Du  bist verbittert, weil auch  dir bis  heute nicht die  langersehnte Antwort kam, — doch nie hast du daran gedacht dich selbst zu prüfen: ob du recht zu fragen  wüßtest! —

 

  Zwar hast du immer wieder bitterlich  erfahren  müssen,  daß alle Antwort Anderer dir keinen Frieden bringen konnte, allein —  die  falsche Fragestellung dieser Anderen hast du getrost und unbekümmert trotzdem übernommen…

 

  Wie durftest du bei solcher Fragestellung jemals hoffen, deine  Antwort zu erhalten?! —

 

  Wie konntest du dich in den Wahn verspinnen, daß dieser Anderen Art zu fragen  dennoch eine Antwort in dir wecken müsse, — verschieden von der Antwort, die  sie selbst erhalten hatten, die aber dir Befriedigung versagte?! —

 

  Siehe: — es ist die  Sünde  deiner Väter, mein  Freund,  die  heute dich nun leiden macht, und du nur kannst deiner Väter Erlöser werden, — du nur kannst jetzt ihre Sünde tilgen!

 

 

  Was deinen Vorvätern einst genügte, um  Zufriedenheit für  sich zu haben, das  eben  raubt  dir  heute  deinen Frieden!

 

  Auch deine Vorväter  waren sich einst zum Rätsel geworden, und so suchten sie sich ihre Lösung: — eine Lösung, die  dich binden  sollte…

 

  Was sie für sich voreinst gefunden hatten, wurde dein Erbe,  und wurde dir  Anlaß zu neuer Frage.

 

  Aber zugleich  auch  wurde eine Art der Fragestellung  dir vererbt, die niemals dir  die Antwort bringen kann, in der sich jede deiner Fragen  auflöst, wie sich Morgennebel lösen in  dem Licht der  Sonne…

 

  Willst  du nicht ewig dir nun  ein Rätsel bleiben,  so wirst du verzichten  müssen auf ein Erbe, das dir nur noch zum Verhängnis werden kann! —

 

  Du  wirst dir selbst  nun  eine neue Fragestellung schaffen müssen, und deiner Väter Antwort darf dir nicht mehr Anlaß werden, Fragen aufzuwerfen, in der Art, wie sie  einst fragten! —

 

  Nicht eher  findest  du  deinen inneren Frieden, als bis du gelernt hast, auch auf deine Art  zu fragen!

 

 

So frage denn fortan nicht mehr nach dem «Gotte der Väter», — sondern nach deinem,  in  dir  lebendigen Gott! — —

 

Frage nicht mehr nach dem «Wert des  Lebens», sondern  nach  dem Werte, den du deinem Leben geben kannst!

 

Frage nicht mehr  nach  dem «Sinn des Daseins», sondern frage dich, wie dein Dasein durch dich selber Sinn erhalten  könne!? —

 

Frage nicht mehr: — «Was ist  der Mensch!» sondern stelle dir  hinfort die Frage,  ob du selber bist, was du sein kannst!? —

 

Frage nicht mehr: — «Gibt es eine Seele?» — sondern  frage dich, was an dir selber «Seele» ist,  und  wie du dessen  bewußt  werden  könntest!? —

 

Frage nicht mehr: — «Gibt es ein Leben nach dem Tode?» sondern frage dich, was  du in  deinem Erdenleben tun kannst, um bewußtes Weiterleben  in  der Ewigkeit dir zu erringen!? —

 

Frage nicht mehr: — «Was ist Wahrheit?» — — sondern frage, ob du selbst wahrhaftig bist, und willens, nichts in dir zu dulden, was dir deine Wahrheit trüben  könnte!? —

 

Wenn  du  auf  solche Art deine Fragestellung formulierst, dann wird dir gewiß auch auf jede deiner Fragen eine Antwort zuteil, die dir den heißersehnten inneren  Frieden bringt. —

 

 

Man hat nach gar vielem schon gefragt,  das  zu wissen  wahrlich  nicht nötig ist…

 

So hat man sich selber denn Antwort gesucht, die nur scheinbar «Antwort» war, und jede solche vermeintliche  Antwort  mußte  neue  Frage wecken, auch wenn sie  erst in Späteren erwachte…

 

  Willst du in  gleicher Weise  weiter fragen, so  wirst  du  nicht  nur dich selbst stets vor neuen Fragen  sehen, sondern auch der Nachwelt so manche Frage hinterlassen,  gerade in dem, was dir Antwortgeben schien! —

 

 

  Sorge  daher,  daß jede  Frage, die dich etwa bedrängen mag, in  dir auch stets die rechte Fragestellung finde, auf die dir deine,  dich befriedigende Antwort werden muß!

 

  Kein  Andererkann jemals dir deine Antwort  geben! —

 

  Nur als Erlebnis  ist sie in dir  zu erlangen, und erleben kannst du sie nur in dir selbst!

 

 

  Alles, was man so  gemeinhin „Antwort”  auf letzte Fragen  nennt, — sei es auch das Wort eines Menschen, den die Nachgeborenen als einen „Gott” verehren, —  weckt  ständig  wieder neue  Frage  von  Geschlecht  zu Geschlecht.

 

  Es kann dir solche „Antwort” bestenfalls  nur Anlaß werden,  die Fragestellung in dir selbst  zu finden, die wirklich Antwort im Erleben bringt! —

 

  Die Vorväter aber glaubten, — und sie glaubten solches in der Zeiten Folge wahrlich gar oft, — daß äußere Antwort die  sie selbst  zufriedenstellte,  nun mehr letzte, unumstößliche Antwort sei, so  daß nur Toren  oder  Frevler noch  nach  anderer Antwort  fragen könnten…

 

  Wohl mochten sie guten  Glaubens sein, der Nachwelt so ein Erbe  des Segens zu  hinterlassen…

 

  Du  aber, mein Freund, hast an dir selbst genugsam nun erfahren müssen, welcher arge Fluch auf solchem Erbe lastet! — —

 

  An  dir ist es  jetzt, diesen Fluch aus der Welt zu schaffen!

 

  Du  wirst  ihn  aber nur vernichten können,  wenn  du die  Lösung,  die einst deine Väter sich erfanden,  um sich zu  enträtseln,  nicht unbesehen weitergibst, und auch von denen, die an deinen Worten hängen, nicht etwa verlangst, daß sie die Antwort, die dir selbst geworden ist, als ihre Antwort anerkennen!

 

Wenn du die Antwort in dir findest, die dir  selbst den Frieden  bringt, so nütze sie allein, um  Anderen zu helfen, ihrerseits aufrechte Weise in sich  selbst  zu fragen!

 

  Schaffe dir selbst stets rechte Fragestellung, auf die dir Antwort kommen muß,  die wahrlich  für dich selber unumstößlich ist, —  aber  glaube nicht, daß  deine  Antwort  nur von Anderen übernommen werden müsse, damit sie fortan auch der  Anderen eigene Antwort sei! —

 

  Jeder,  der  heute  mit  dir  hier auf Erden lebt, und jeder, der später nach dir  kommt,  wird  für  sich  selber rechte Fragestellung lernen müssen, und nur im  eigenen Erleben wird  dann jedem seine Antwort auf die letzten Fragen  seines  Daseins  faßbar  werden! 

 

  Wer aber das Rätsel für sich löste, das er sich  selber vordem war, der suche lediglich die Anderen zu warnen vor dem Irrtum,  als ob je ein Erdenmensch des anderen Lebensrätsel lösen könne! —

 

  Er wehre einzig dort,  wo er Gefahr gegeben sieht, daß Suchende sich durch der Väter Erbe irren lassen! — — —