Der Weg meiner Schüler:

Dynamischer Glaube

Es ist ja eigentlich eine Binsenweisheit, daß jegliches menschliche Bestreben nur dann erfolgreich wird, wenn der Glaube an die Möglichkeit, ja an die Sicherheit des Erfolges hinter ihm steht.

 

Wer es nicht an sich selbst erfahren hat — und es wird wenige geben, die es nicht im Laufe ihres Lebens wieder und wieder erfahren mußten — der wird in seinem Umkreis nicht lange zu suchen brauchen, um Menschen zu finden, die ihm sowohl Beispiel wie Gegenbeispiel liefern.

 

Stärkste Begabung, die zu allen Hoffnungen berechtigt hatte, versagt, und erreicht nicht ihr Ziel, nur weil der Glaube fehlt an die eigene Kraft, während daneben der kaum mittelmäßig Talentierte von Erfolg zu Erfolgen schreitet, geführt von dem Glauben an sein Können…

 

Und wie gar oft wird eine Idee, an deren Verwirklichung ein Leben verblutete, erst nach dem Tode ihres Schöpfers zum Siege geführt, aufgegriffen durchselbst unschöpferische Naturen, die aber den Glauben mitbringen, den der erfolglose Urheber, bei aller Energie seines Strebens, vermissen ließ.

 

Obwohl aber solche Erfahrung wahrlich leicht zu erlangen ist, kann man dennoch auf allen Gassen Unzähligen begegnen, die zwar recht guten Willens sind und mit aller Zähigkeit einem Ziele zustreben, dabei aber selbst kaum glauben, es jemals erreichen zu können.

 

Ist es verwunderlich, daß da so wenige nur jenes Ziel erreichen, zu dem ich in allen meinen Büchern den Weg aufweise, und das doch allen erreichbar ist, die den Glauben in sich tragen: — den Glauben an sich selbst!? —

 

 

 Das Sprichwort redet die Wahrheit, wenn es zu sagen weiß: „Hilf dir selbst, so hilft dir Gott!”

 

Hier wird göttliche Hilfe keineswegs in Frage gestellt, aber die Bedingung wird aufgezeigt, die erfüllt werden muß, soll göttliche Hilfe ermöglicht werden. — —

 

So ist auch aller vorgebliche „Glaube an Gott” nur Selbstbetrug, so lange er nicht durch den felsenfesten Glauben an sich selbst gerechtfertigt wird.

 

Glaube aber ist Wille, und jene wissen nichts vom „Glauben” die ihn nicht als eine Form des Willens kennen!

 

Hier ist jedoch der Torheit zu wehren, die den eigensinnig und krampfhaft gehegten Wunsch als „Wille” wertet. —

 

Wohl mag der Sprachgebrauch auch leichthin vom „Willen” reden, wo nur der ungezähmte Wunsch ein Ziel erstrebt, während der Wille, der es erreichen könnte, tief im Schlafe ruht.

 

Wenn aber gesagt wird: „Glaube ist Wille”, so ist auch weiter zu sagen: — Wille, wie er hier gefordert wird, ist nichts anderes als die hohe Kraft der „Imagination”, durch die der Mensch in seinem Innern sich die Form seines Schicksals gestaltet, sei es in Bezug auf sein äußeres Dasein oder im Hinblick auf das Erreichen seines höchsten Zieles in der geistigen Welt. — —

 

 

Man weiß das längst, wo es gilt, Gebreste des Körpers zu heilen, und kluge Ärzte suchen vor allem in solchem Sinne den Willen zur Gesundung im Kranken von den Fesseln zu befreien, in die ihn der Kranke selbst geschmiedet hat.

 

Ob „wunderbare” Heilungen einst dem Asklepiosheiligtum zu Epidauros hohen Ruf verschafften, oder ob heute Lourdes für seine Gläubigen in gleichem Rufe steht: — in beiden Fällen ist die Anregung des Willens zur Gesundung, die Auslösung der Imagination, der Glaube an die Möglichkeit der Genesung das „wunderwirkende” Agens, auch wenn es nur die Vorbedingung erfüllt, um helfenden Kräften anderer Art den Weg frei zu machen. — —

 

Zu allen Zeiten hörte man in gleicher Weise nicht nur von „heiligen” Stätten, an denen Kranke Genesung fänden, sondern auch von Menschen, die da noch zu heilen wußten, wo Tränke und Mixturen nichts erreichen konnten, und auch bei dieser Menschen oft sehr segensreichen Wirksamkeit ist das „Wunder” nur darin zu sehen, daß es ihnen gelang, den echten dynamischen Glauben in den Kranken zu erwecken, den Glauben, der da „Wille” zur Gesundung ist und das Bild der wiederzuerlangenden Gesundheit an die Stelle des Bildes der Krankheit setzt, wie es vor dem der gleiche Wille — nur mißleitet — geschaffen hatte.

 

Gewiß war zu keiner Zeit eine jede Krankheit auf solche Weise heilbar, und gar zu leicht übersehen Enthusiasten, daß sowohl menschliche Heiler wie jene „Gnadenstätten” frommer Gläubigen so manchen geplagten Kranken wieder ziehen lassen mußten, ungeheilt, oder nur dem augenblicklichen Scheine nach gebessert. —

 

Torheit aber nur wird leugnen wollen, daß die Macht des Glaubens ganz erstaunlicher Wirkung auf den Körper eines Menschen fähig ist. —

 

 

Was nun dem dynamischen Glauben aber möglich ist, dort, wo es gilt, auf Körperliches einzuwirken, wird weit übertroffen durch die Wirkungen, die rechtgeleiteter Glaube im unsichtbaren Organismus des Geistes hervorzubringen vermag. — —

 

So, wie jedoch der körperlich Kranke, dessen Krankheit von einer Art ist, die durch den Glauben geheilt werden kann, das Bild der Gesundheit in sich aufrichten muß, und zwar aus gleicher Kraft, durch die er bisher in sich das Bild der Krankheit aufgerichtet hatte, so muß auch der Suchende, der sein höchstes Ziel im Reiche des Geistes erreichen will, aus der Kraft des Glaubens in sich selbst die geistige Form erschaffen, in die er sich wandeln will…

 

 

Noch nie hat auch der glühendste Wunsch aus einem Suchenden einen Finder werden lassen im Reiche des Geistes!

 

Auch hier muß die Möglichkeit des Findens erst zur Gewißheit geworden sein, bevor das hohe Ziel erreicht werden kann.

 

Der Glaube an sich selbst ist der einzig wirksame Wille zu Gott, und dieser formgebende Wille alleinerrichtet „das Bildnis dessen, was er werden soll”, im Innern des Suchenden. —

 

Nach diesem Bildnis wandelt sich dann der unsichtbare geistige Organismus des Suchenden dergestalt um, daß er mehr und mehr des Findens fähig wird.

 

 

Verkehrte Lehre und ärgster Mangel des Vertrauens zu sich selbst haben den Glauben der Allermeisten dazu mißleitet, daß er in ihrem eigenen Innern das Bild ihrer selbst errichtet, als das eines, seiner Natur nach, von höchstem und sicherem geistigen Erkennen Ausgeschlossenen, und richtig geleiteter Glaube muß anstelle dieses Irrtumsbildes das Bild des Berufenen — des Berufenen zur Gottvereinigung — setzen!

 

Vertrauen und Gewißheit, daß sein höchstes Ziel für ihn erreichbar ist, muß zu allererst in einem Menschen lebendig werden, wenn er dem Reiche wesenhaften, reinen Geistes und dem, was dort seiner wartet, wirklich nahen will!

 

Alle Zaghaftigkeit ist vom Übel, denn das ewige Heil läßt sich nun einmal nicht „in Furcht und Zittern” erwirken, auch wenn man solchen, aller Wirklichkeit unendlich fernen Worten seit Jahrtausenden gewichtige Bedeutung hier auf Erden gab!

 

Unzählige haben da ihr Leben lang gesucht und konnten doch nicht finden, nur weil sie einem solchen üblen Worte sich vertrauten und also alles Selbstvertrauen in sich niederhielten!

 

 

Es ist aber ohne den Glauben, von dem ich hier rede, keinem Erdgeborenen möglich, wieder in den Geist zu gelangen, und dieser dynamische Glaube kann nur in rechter Weise wirksam werden, so er den Menschen im unerschütterlichsten Vertrauen zu sich selber findet — im Vertrauen darauf, daß er fähig ist, sein geistiges Hochziel zu erreichen.

 

Alle geistige, hohe Hilfe, die dem Menschen stetig dargeboten ist, damit sie ersetze, was ihm noch mangeln muß, wenn er, aus irdischer Dunkelheit heraus, sich auf den Weg zum Lichte wendet, bleibt völlig machtlos, so lange sie nicht das Vertrauen zu sich selbst in dem Suchenden wirksam findet. —

 

Nur einer, der sich selbst vertraut, vermag es auch, der hohen Hilfe zu vertrauen, die er auf seinem steilen Höhenpfade nicht entbehren kann. —

 

 Nur einer, der sich selbst vertraut, ist des rechten dynamischen Glaubens fähig: — steht im Willen zu seiner Erlösung, entwunden dem bloßen Wunsche!

 

 

Bei allen meinen Anweisungen und Ratschlägen, setze ich dieses Jasagen zu sich selbst, ungeachtet aller Fehler und Mängel um die er wohl wissen soll, bei meinem Schüler voraus.

 

An vielen Stellen meiner Bücher wird aufs deutlichste gezeigt, wie der Mensch erst dessen gewiß werden muß, daß er aus dem ewigen, substantiellen Geiste stammt, bevor er Hoffnung hegen darf, wieder „in den Geist” zu gelangen.

 

Es ist dem Suchenden, auch beim besten Willen, nicht einmal möglich, die ihm von mir erteilten Anweisungen zu gebrauchen, solange er noch nicht in sich den festen Glauben an sich selbst und seine ewige Geistigkeit geschaffen hat.

 

Dieser Glaube darf aber nicht ein Für-wahr-halten sein, oder eine bloße Annahme.

 

Nur der dynamische Glaube: — dieser Glaube, der Kraft ist und Kraft aus sich erzeugt, — kann auch die innere Sicherheit geben, die jeder besitzen muß, der den Weg in den Geist beschreiten will.

 

Hingegen ist das „Glauben” an irgendwelche Vorstellungsbilder — mögen sie nun der Wirklichkeit entsprechen oder nicht — eher ein Hemmnis als eine Hilfe. —

 

Nicht um Vorstellungsbilder im Gehirn des Schülers schaffen zu helfen, versuche ich die dem physischen Auge entrückten Welten in Worten darzustellen, sondern um eine Brücke zu schlagen für das voraufgehende Verstehen der Forderungen, die ich im Interesse des Suchenden an seinen Tatwillen stellen muß.

 

Wo man in solchen Darstellungen „Widerspruch” zu finden glaubt — was zuweilen nicht schwer ist, — dort lasse man vorerst alles auf sich beruhen, bis eigener dynamischer Glaube scheinbaren Irrtum aufzulösen lehrt.

 

Dynamischer Glaube ist gesichert in sich selbst und kann niemals durch Fehldeutung eines Wortbildes erschüttert werden.