Das Geheimnis:

Die Fahrt auf dem Meere

NACHDEM die Festesfreude der fröhlichen Inselbewohner wieder alltäglichem Werke gewichen war, fanden sich die drei Freunde in einer stillen Gottesruhe, die ihnen alles gab, was sie hier für ihre durch stetes Schauen ermüdeten Nerven zu suchen gekommen waren.

In jeder Morgenfrühe erblickten sie wieder das weithin glänzende Meer, das kaum die Strahlenfülle mehr zu fassen schien, die aus dem leuchtenden, unermeßlichen Räume über ihm herabgeflutet kam ohne Unterlaß.

Was Wunder, wenn in den Herzen zuletzt der Wunsch sich regte, auf diese Lichtsee einmal noch hinauszufahren, um in Sonnenhelle durchstrahlt, das Eiland zu umkreisen, bevor man von ihm dauernd Abschied nahm.

 

*

 

An einem frühen Morgen war man auf langen Schlangenwegen hinabgewandert zum Strande, wo schon die Schiffer warteten mit einer geräumigen Barke, die man des Tages zuvor für diese Fahrt gemietet hatte.

Was man für des Lebens Notdurft brauchte an diesem Tage – sowohl für die Freunde selbst als auch für ihre Ruderer bemessen – war allbereits schon vorher durch einen Boten herabbefördert worden und ruhte wohlverwahrt und vor der Sonne späterer Glut geschützt im Kielraum des schweren Ruderbootes.

Ein mächtiger Segler kreuzte vor dem kleinen Inselhafen, als man nun hinausfuhr auf das offene Meer, und seine gelben Segel blähten sich im frischen Morgenwinde.

Gigantisch türmten sich die hohen, rötlichen Felsenschroffen, die droben, in lichtes Grün gebettet, weiße Villen trugen, die kaum Halt zu finden schienen und von hier aus wie die Spielzeughäuser der Kinder wirkten.

In weitem Bogen hatte man erst die Felsenwände umfahren, um so den gewaltigen Anblick aus einiger Ferne genießen zu können.

 Dann aber hielten sich die Ruderer der Insel näher, so daß aufs deutlichste die Bildung des Gesteins mit den Augen zu greifen war.

Zuerst durchfuhr man nun die wenig breite Meeresstraße, die das Festland von der Insel schied.

Drüben am Festland zog sich in edelstem Rhythmus eine Kette mäßig hoher Berge in die Ferne, über die vereinzelt höhere Gipfel ragten.

Die ganze Festlandsküste war noch in einen Schleier zarter Dünste gehüllt, der sie in mannigfachen pastellweichen Tönen, von lichter Rosenfarbe bis zu sanftem hellen Blau, herüberschimmern ließ.

Hier, wo man nun selbst im Boote saß, zeigte sich zum nicht geringen Erstaunen das leuchtend grünblaue Meer von solcher Klarheit in der Durchsicht, daß man den Grund mit seinen Steinen und mancherlei Tanggewächsen derart scharf erkennen konnte, als blicke man in völlig leere Tiefe, und fast empfand man es leise unbehaglich, daß die Barke gleichsam wie in leerem Nichts über solchem Abgrund schwebte.

In weitester Ferne lagerten über dem Meere ein paar dünne blaßviolette Wolkenstreifen als die letzten Zeugen der entschwundenen Nacht, fast aufgesogen im rosigen Morgenlicht, das sich darüber bereits in goldene Helle wandelte, um allmählich in größerer Höhe lichtestem Gelbgrün und schließlich dem leuchtendsten Türkisblau sich zu einen.

Man muß solche Morgenfrühe auf südlichem Meere selbst erleben, um ihre Schönheit zu erfassen! – –

 

*

 

Die Barke der drei Freunde hielt sich nun immerfort dicht an der Inselküste.

Hochragende Felsbastionen wechselten da mit schroffen Schluchten und zuweilen weiteten sich steile Mulden, in denen lichte Ölhaine und Zitronengärten, Orangengehege und Myrtensträucher nahezu das Meer erreichten.

Die hohen Klippen nahe dem Ufer, die man sonst nur von der Insel aus bewundert hatte, bildeten jetzt ein mächtiges Tor, und die Schiffer ließen es sich nicht nehmen, das Boot durch dieses Felsengewölbe zu steuern.

Nun erblickte man auch deutlich die Stelle der Mithrasgrotte, bei der man zuvor, an jenem Abend so folgenreiche Mitteilung erfahren hatte.

Mit Sicherheit erkannte man zugleich den steilen Pfad, auf dem einst in alter Zeit die Mysten, vom Meere kommend, das Heiligtum erklommen haben mochten.

Noch wenige Ruderschläge, und man gewahrte, hoch oben über weitem, fruchtbarenTal, auf der Sattelhöhe die helle Stadt – nun von der anderen Seite zu sehen, während man sie noch am Morgen über dem kleinen Hafen sich erheben sah.

Nachdem sie von der Hafensiedelung aus allmählich emporzuwachsen schien, lag sie hier wie eine Zinnenkrone auf der Höhe der Einbuchtung, zur Linken von dem höchsten Bergrücken der Insel beschützt, zur Rechten nur von mäßigen Anhöhen überragt.

 

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Die drei Freunde hatten bisher nur all dem Schönen, das ihre Augen sehen durften, sich willig hingegeben, und die Schiffer – nicht wenig stolz auf ihre herrliche Heimat – wurden nicht müde, Erklärungen zu äußern, oder auf besondere Schönheiten hinzuweisen.

Längst tropfte den Beiden der Schweiß von der Stirne und man merkte es ihnen an, daß sie nicht ungern ein wenig ausgerastet hätten, bevor der größere Umkreis der Insel noch umfahren werden sollte.

Unweit der Stelle, an der man sich jetzt befand, gab es eine kleine Anlegestelle für die Fischerboote.

Einige pittoreske, niedere Häuser umsäumten die kleine Bucht und am Strande sah man ausgespannte Netze in der Sonne trocknen.

Dorthin ließen die Reisenden die Barke nun lenken, und als sie ans Land gestiegen waren, freuten sie sich schließlich selbst daran, für einige Zeit dem reglosen Sitzen im Boot entronnen zu sein und auf fester Erde die Glieder gebrauchen zu können.

Man freute sich auch der Jugend, die hier ihren Badeplatz fand und allerlei Taucherkünste zeigte, sah ein wenig den Fischern zu, die ihr Gerät schon für den Fang der nächsten Nacht in Ordnung brachten, und erquickte sich schließlich, zusammen mit dem Brüderpaar der Ruderer, an einigen saftigen Früchten aus dem Vorrat, den man im Boote mitgenommen hatte.

Bald aber war man wieder ausgefahren, sah nur von Ferne noch die kleinen Fischerhäuser, und die mählich höher gehenden Wogen trugen die Barke gleitend wieder gewaltiger Felswand entlang, die nur zuzeiten durch enge Spalten und farbenschimmernde Grotten unterbrochen wurde, den westlichen Abstürzen zu.

Francesco, der jüngere der beiden Ruderer, wußte auf dieser Seite der Insel, die jetzt im Schatten der hohen Felsen und des darüber ragenden Berges lag, einen Ruheplatz, der auch seinem älteren Bruder gewiß nicht unbekannt war, den er aber in den höchsten Tönen rühmte, als sei er seine Entdeckung.

Dort wollte man Mittagsrast halten und lange verweilen, um erst, wenn die Sonne den Berg überstiegen hätte und nahe dem Meere wäre, den letzten Teil der Fahrt als Heimweg anzutreten.

 

*

 

Die Ruderer aber mußten sich gar gewaltig mühen, um den Wogen zu begegnen, und es war nötig, weit ab in freies Meer zu steuern, auf daß man nicht allzunahe bei den niederen Riffen blieb, die hier wie ein spitzer Zaun die hohen Felsenmauern umgaben.

Endlich aber glaubten die beiden Brüder die Zeit gekommen, um den Kurs der Barke wieder nach der Insel zu richten, und nun hielten sie den Kiel scharf auf einen hellen Fleck, den man am fernen Ufer gewahrte.

Näher gekommen, entdeckte man eine seichte Bucht, an der keine Brandung aufkommen konnte, und über mächtiger, weißgewaschener Steinhalde gab es eine idyllische Rasenterrasse mit Myrtengesträuch, tiefdunklem Lorbeer, Eukalyptus- und Ölbäumen bestanden: – so recht ein Ort, der zum Verweilen lockte.

Bald war die Barke nun auch von einer geschickt benützten Woge ans Land geworfen worden, und nachdem sich Reisende wie Ruderer der Mühe unterzogen hatten, sie aus dem Bereiche des Meeres herauf auf die Halde zu ziehen, durfte man ihrer nun sicher sein und konnte über das Steingeröll empor zum eigentlichen Rastplatz steigen.

Die beiden Schiffer brachten noch die Körbe mit Speise und Trank, ließen sich geben, was man für sie mitgenommen hatte, und kehrten zurück zu ihrem Boote, um dort zu essen und zu ruhen, so daß sich die Reisenden kaum zu erklären vermochten, weshalb dieselben Menschen, die sie hierher geleitet hatten, als an einen Ort, dem besondere Schönheit innewohne, doch dieses Ortes Schönheit nicht genießen mochten.

Aber hier zeigte sich nichts anderes, als jener wundervolle Takt, der auch den einfachsten Sohn des Südens dem ihn verstehenden Fremden liebenswert macht.

 

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Gewiß findet sich in den großen Städten auch das übelste Pack, aber wo noch der Rasse Adel rein sich wahren konnte, dort trägt auch der Ärmste seine Armut in Lumpen noch als Fürst, und die Hoheit seiner inneren Würde wird besonders bewundernswert, weil er in jeder Lage fühlt, was seiner Stellung ziemt, und bei aller Freiheit der Gebärde niemals aus der Rolle fällt, die ihm sein Schicksal einmal zuerkannte im Getriebe dieses Erdenlebens…

So wußten auch die beiden Brüder gar wohl, daß jetzt die Reisenden doch am liebsten unter sich zu sein wünschen mußten, und so gerne sie auch selbst auf dem gleichen Rasen sich ausgestreckt hätten, wie sie es oftmals wohl schon getan, wenn sie mit Weib und Kind an einem Festtag hier verweilten, so wäre es heute ihnen doch wie ein Sakrileg erschienen, wie ein Vergehen, das stets an ihnen haften bleiben würde. –

 

*

 

Das Mahl hatte trefflich gemundet und wenn auch hier auf dieser Insel kein klarer Quell zu finden war, so hatte doch die Erde köstliche Frucht gegeben, die nach des Mahles Würze auch den Durst noch stillen konnte. Daneben gab es noch den Saft der Rebe dieser Inselhänge der allerdings von so feuriger Artung ist, daß er das Wasser nicht gut ersetzen kann. –

Nachdem man dann längere Zeit sich der Ruhe überlassen hatte, nahm der Jüngste der Drei das Wort und sprach:

„An einer sehr ähnlichen Stelle wie dieser hier an der wir lagern, ward mir einst unvergeßliche, hohe Belehrung.

Es war auf der Reise in den Orient, die mir mein Vater gewährte, bevor ich meinen neuen Wirkungskreis betrat.

So wie hier, befand ich mich auf einer Insel, so wie hier, im Angesicht des Meeres, und so wie hier, lagerte man zwischen Myrtengebüsch und Lorbeer, wenn auch das Gras weit dürftiger war und nicht die Fülle der Blumen zeigte, die hier uns umgeben.

Damals sollte ich meinen Guru unverhofft wiedersehen und es waren recht seltsame Umstände, unter denen er mir aufs neue begegnet war.

Doch das alles läßt sich auch an einem Winterabend, wenn der Sturm heult und den Schnee an die Fenster peitscht, beim Kaminfeuer zu Hause erzählen, nachdem wir jetzt in so nahem, verstehendem Verhältnis uns fanden. –

Was mir aber soeben in Erinnerung kam, betrifft vielmehr die Lehre, die mir in jenen Tagen wurde, und die vielleicht doch noch erörtert werden dürfte, um das zu vollenden, was unser Zusammensein bisher so ersprießlich werden ließ.”

 

*

 

„Ich weiß nicht, was Sie uns heute bringen wollen”, fiel der Älteste ins Wort, „aber ich glaube, wir beiden Senioren dieses Kreises sind uns einig darüber, daß wir durch Sie nur gewinnen können, und was Sie uns auch noch zu sagen haben, wird aufnahmebereite Hörer finden!”

„Das will ich meinen”, ergänzte der in sichtlichem Wohlbehagen strahlende „Abbate” und fuhr dann fort: „Es ist ja schier unbegreiflich, was Sie aus uns beiden, alten Köpfen schon zu machen wußten in dieser kurzen Zeit, seitdem Sie endlich Ihr Visier geöffnet haben! – –

Fast könnte ich es Ihnen verargen, daß Sie vorher so oft mit uns zusammen waren und stets vor uns ‚Profanen’ Ihr Geheimnis wahrten!

Wir müssen wirklich in Ihren Augen gar arge ‚Skeptiker’ gewesen sein, aber Sie wissen doch, daß Skepsis und Mystik in recht nahem verwandtschaftlichen Verhältnis stehen! –

Wer nicht sein Teil Skepsis in sich trägt, wird ja gar kein Bedürfnis haben, etwa wissen zu wollen, was hinter dem Vorhang vorgeht, an dessen Bildwirkerei er zu glauben angehalten wird…

Aber, wie Sie gesehen haben, sind wir ‚Skeptiker’ doch nicht so unverbesserlich, wie Sie vielleicht geglaubt haben mochten!

All unsere Skepsis ist ja nichts anderes gewesen, als verkappte Sehnsucht, glauben zu können; nur wird einem das Glaubenkönnen heutzutage höllisch schwer gemacht!

Freilich, wenn man dann, wie bei Ihnen, plötzlich sieht, daß hinter all diesen Glaubenspostulaten jeweils eigentlich eine unumstößliche, wenn auch noch so ungeschickt formulierte Wahrheit steckt, dann merkt man schon auf, und weist die Konklusionen des rationalistischen Denkens in ihre gehörigen Schranken! – –

Aber, wem wird denn heutzutage solche Belehrung zuteil?! –

Die Mehrheit lebt doch geradeso dahin, wie es eben die äußeren Umstände zulassen mögen, kümmert sich nicht um Tod und Teufel, und läßt schließlich auf sich beruhen, was sie nicht enträtseln kann.

Wenn man so richtig aufzunehmen wußte, was Sie uns in dieser Reisezeit zu geben hatten, dann greift man sich ja an den Kopf und faßt es nicht, daß die Menschheit in solcher Tarantelsucht sich um ihre eigene Achse dreht und dabei niemals ahnt, daß sie sich selbst gebannt hält auf dem gleichen Fleck! – –

Warum wissen unsere Kinder nicht schon von dem allem! – – –

Muß denn wirklich jede neue Generation das ‚Einmaleins’ für sich von neuem zu entdecken suchen??

Doch ich merke, daß ich da selbst jetzt ins Reden komme, und bitte um Vergebung, denn ich erwarte ja weiter nichts, als daß unser jüngerer Freund, dem soviel Erfahrung wurde, uns auch fernerhin belehrt! –”

 

*

 

Die Sonne war mittlerweile hinter dem Bergesrücken erschienen, war mehr und mehr hervorgerückt, hatte die andere Seite der Insel umwandert, ihren Höhepunkt überschritten, und sehnte sich sichtlich nun hinab ins Meer, ob wohl sie noch hoch genug stand, um nicht allsobald befürchten zu lassen, daß sie das Meer verschlingen könne.

Dennoch fingen ihre Strahlen schon an, ins Gelb des frühen Abends sich zu wandeln, und mählich mischten sich auch rosenrote Töne ihrem Lichte, so daß die ferne Weite immer mehr in lichtem Farbenschmelz erglühte und auch die Nähe warmer Farbe Sättigung erfuhr.

Das Auge trank solche Schönheit in vollen Zügen und man wunderte sich nur, wie man den grauen Alltag nördlicherer Breiten sonst auszuhalten fähig war…

Es mußten doch wahrlich nur einst die Tapfersten gewesen sein, die sich erkühnten, solche unwirtliche Gegenden sich auszusuchen, – wenn es nicht vielleicht die Ärmsten waren, die lieber noch der Unbill sonnenarmer Sommer sich ergeben wollten, als weiter Hörige zu sein der Reichen, die des Südens Üppigkeit nur eigener Genußsucht dargeboten wähnten. – –

 

*

 

So mochten mancherlei Gedanken in den Gehirnen der drei Freunde sich kreuzen, als nach einer kleinen Pause doch der Jüngste der Drei das Wort nahm und also seine Rede formte:

„Seht, liebe Freunde, ich komme mir oft recht unerfreulich vor, wenn ich nur stets als Lehrender, Ihnen, den so viel älteren entgegentrete. Sie nennen mich selbst Ihren jungen Freund und daraus glaube ich doch entnehmen zu müssen, daß Sie die Jahre, die von Ihnen mich trennen, gleichsam als Entschuldigung gelten lassen, für vieles, was Ihnen an mir absonderlich erscheint, obwohl Sie jetzt wissen, daß diese vermeintliche ‚Absonderlichkeit’ ihre Gründe hat! –”

Doch, wie aus einem Munde ließen die Älteren sich vernehmen und bekundeten entschieden, daß sie es nur als Ehre betrachten wollten, wenn der Jüngere sich zu ihnen rechnen möge, und daß sie ihn stets nur deshalb als soviel jünger empfinden müßten, weil sie sich selbst fast für zu alt, dergleichen Umstellung des Denkens gegenüber, gehalten hätten. – –

 

*

 

Darauf nahm wieder der Jüngste das Wort und seine Stimme war von tiefster Ergriffenheit bewegt:

„O Freunde, wie sehr bedingt sind doch die Begriffe ‚Jugend’ und ‚Alter’, und wie wenig haben sie im Geistigen zu bedeuten!

Dort gilt als ‚Alter’ nur jene Zeit, die der geistige Mensch der Ewigkeit bereits durchlaufen hat seit jenem Tage, der ihm den Impuls zur Rückkehr in seine Urheimat gab.

An Erdenjahren erheblich jünger als Sie Beide, dürfte ich doch hier im Geiste der ‚Ältere’ sein, denn sonst wäre mir nicht geworden, was mir ward. – –

Nun ist es mir Pflicht, Sie zu belehren, auch wenn ich mir wahrlich nicht etwa als ‚Lehrer’ verdienstvoll erscheine! – – –

Auch lehre ich Sie ja gewiß nichts, das etwa mir mehr als seine Formung danken würde, und gebe Ihnen nur weiter, was ich einst selbst empfing.

So möchte ich Ihnen denn heute von einigem reden, das ich an ähnlicher Stätte einst erhalten habe, und wenn Sie gesonnen sind, mir zuzuhören, so werden Sie manches erfahren, was ich seither noch nicht in meine Rede zu fügen wußte.

Die Dinge, denen wir auf dieser Reise Worte schaffen, lassen sich ja aus gar mannigfachen Perspektiven betrachten und so ergibt sich aus jedem neuen Standpunkt stets ein neues Bild! – –

Was ich aber heute Ihnen sagen möchte, knüpft dennoch an Früheres an und soll Ihnen nur noch besser erläutern, was ich schon vorher Ihnen sagen durfte. – –

Ich will den Meister selber sprechen lassen, so wie er zu mir einst sprach, als ich auf südlicher Insel ihm erneut begegnet war und er sich meiner Seele offenbaren wollte...

Aus meinem Tagebuche nehme ich die folgen den Worte:

 

*

 

‚Ferne sind uns hier der westlichen Welt verderbliche und schrankenlose Gelüste!

Ferne bleibt uns, was Deiner Ahnen Enkel als die Wohlfahrt ihres Lebens ersehnen mögen! –

Auf diesem Eiland, das uns trägt, atmen jetzt nur wir zwei allein, denn nur wir beide atmen bewußt! –

    Wir allein suchen uns Rechenschaft zu geben, von dem, was etwa ein höheres Sein in uns zu sehen vermöchte…

Und so frage ich Dich denn, – Du, den meine Seele liebt, – wie vermagst Du Dich selbst zu empfinden, ohne zu erschrecken – vor Deiner Seele unermeßlicher Weite!? – – –

Doch, Du antwortest mir:

„„Die vor mir waren, ach, sie waren gewiß nicht anders als ich, und sie wußten besser als mancher, der uns heute begegnet, des Lebens Herren zu werden!

Was soll es mir, mich nun über alle Früheren zu erheben, und mich in einer Hoheit zu empfinden, die mir gewiß nichts nütze ist, wenn ich heute diese Erde für immer verlassen muß?!”

Aber ich habe Dir anderes zu sagen und Du wirst mich also sprechen hören:

Gar töricht erweisest Du Dich, mein Freund, wenn Du in solcher Denkart Dich gefangen geben willst!

So sprechen nur enge Herzen und erdgebundene Seelen, doch Dich sah ich weiter blicken bereits, und es waren entlegenere Fernen, die ich Dich mit Adlerblick erfassen lehrte!

 

*

 

Wohl bist Du ein verweslich Tier, ein Leichnam, der nur Dünger dieser Erde sein kann, wenn Du dieser Erde unerbittliches Gesetz zum Herrscher über Deine Seele werden lässest!

Aber ich will Dich anderes lehren, und geloben sollst Du mir, Dich niemals von der Erde niederen Kräften gängeln zu lassen, obwohl Du diese Erde auch niemals verachten sollst, da nur in dieser Erde Leib Dir die Erlösung werden kann, solange Du noch dieser Erde Dasein tragen mußt! – – –

Ich will Dich lehren, der Erde Kleid zu Cherubsflügeln zu wandeln; – ich will Dich lehren: aus der Erde Kraft Dich zu den Sternen zu erheben! –

Wir wollen selbander schreiten und Du wirst bald erkennen, daß ich Dir Wege zeige, die Du gewiß vor meiner Weisung noch nicht kanntest, aber ich will Dir auch zeigen, wie man solche Wege betritt, und wie man sie bis zum höchsten Ziele zu durchschreiten vermag! – – –

Weshalb wären wir uns nahe gekommen, wenn ich solchen Liebesdienst Dir nicht zu erweisen vermöchte?! – – –

 

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Die Dich einstens lehrten, sie sprachen zu Dir:

„Gar weise ist des Menschen klarleuchtender Verstand, der alles zu hellen weiß was des Menschen Bewußtsein in Finsternis bannen möchte!”

Aber längst weißt Du, daß Dein Verstand Dich zum Sklaven tausendfachen Irrtums machte, und weise beginnst Du zu werden, in dem Du Dir sagst: daß nie Dein Verstand die Rätsel lösen wird, die Dich in dieser Erdennacht umgeben! – – – – –

Hast Du endlich dieses Erste erkannt, dann kann ich Dir weiter helfen, und so Du mir nur vertrauen magst, wirst Du gewißlich keine Enttäuschung erleben! –

 

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Siehe, alles, was Dir Dein Verstandeswissen gibt, ist nur in dem kleinsten Teil Deines Körpers – in Deinem Gehirn verankert, allein das Wissen, das Dir ewig Nahrung bieten soll, muß Deines ganzen Körpers eigen werden!

    Darauf wollen wir weiterbauen!

Daraus soll Dir die Gewißheit werden, daß Dein Körper Dir vonnöten ist, willst Du zu völliger Erkenntnis kommen! – – –

Nicht von heute auf morgen ist solche Erkenntnis zu erlangen, aber wer sie aus tiefstem Herzensgrunde sucht, dem wird sie sicherlich werden! –

 

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Wie jede tiefere Erregung Deiner Seele alsbald Deines ganzen Körpers Atome mitschwingen läßt, so muß auch Dein Körper willig sich bewegen lernen, wenn Geistiges Dein Bewußtsein berührt.

Was Dir auch nahekommen mag, von geistigen Dingen: Du wirst es erst wahrhaft erfassen und dann nur restlos Dir zu eigen werden sehen, wenn jede Faser Deines Erdenleibes greifend danach verlangt, um so, wie zwei Hände einander finden, sich alsdann ergreifen zu lassen!

Nur in solcher ,Ergriffenheit’ ,auch Deines ganzen Körpers, wird sich Dir einigen können, was vom Geiste her zu Dir kommt; und anders wird wahrhaft Geistiges niemals erlangt, als durch vollkommene Vereinigung! – – –

 

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Über Geistiges nachzudenken, mag Dich wohl in gewisser Weise fördern, allein zum Ziele führt es nicht!

Wohl kannst Du Dir manches Wissen dieser Erde auf solche Weise erwerben, aber sobald Du einmal dieser Erde Leib verlassen mußt, wird solches Wissen Dir verloren und zu nichts mehr nütze sein!

Geistiges Wissen ist wahrlich anderer Art!

Es kann Dir nur werden, wenn Du mit dem Gegenstande dieses Wissens Dich zu vereinigen vermagst! – – –

Während vergängliches Wissen stets nur ein Be-greifen, ein Er-fassen, ein Ent-decken, ein Er-finden, ein Er-schließen ist, handelt es sich beim geistigen, ewig bleibenden Wissen um ein Innewerden! – –

Du kannst im Geistigen nichts erlangen, es sei denn, Du selber läßt Dich in Deinem innersten Innern durch das Geistige wandeln und wirst, was Du erkennen willst! – – – – –

 

*

 

Das erscheint Dir heute noch unsagbar schwer, da Dein Denken noch nicht gelernt hat, Deinem Willen zu gehorchen.

Nicht eher aber kannst Du Geistiges vernehmen in Dir selbst, als bis Du Deinem Denken Schweigen zu gebieten vermagst und seinem vorlauten Wichtigtun wehren lerntest!

Später, wenn Du dereinst im Innewerden zur Erkenntnis in Vereinigung gekommen bist, wirst Du Dein Denken reichlich entschädigen können für die Zurückhaltung, die Du ihm vor her auferlegen mußtest!

Dann wirst Du ihm eine neue Unterlage für sein Wirken geben können, auf der es sodann in gleicher Sicherheit bauen mag, wie dort wo die Sinnenwelt ihm Fundamente bietet.

 

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Die Kraft des Denkenkönnens ist eine wundersame Gabe, allein sie kann Dir dort nur Segen bringen, wo Du ihr selbst die sichere Unterlage gibst. – –

Du darfst nicht durch Dein Denken erst diese Unterlage schaffen oder finden zu können wähnen, wenn Du nicht einem Wahn erliegen willst, der in den Gehirnen, schon seit den frühesten Zeiten der Erdenmenschheit bis auf unsere Tage, tausendfachen Irrtums Ursache ward! – – –

Man scheitert stets aufs neue daran, daß man erdenken möchte, was allein im Innewerden zu erleben ist und dann erst Material des Denkens werden kann.

Man glaubt in seinem Denken Geistiges zu erkennen und weiß nicht, daß Geistiges nie in Gedanken faßbar wird, bevor man es erlebte, da es nur im Erleben wahrhaft empfunden werden kann; in einem Erleben, das nichts mit gedanklichem Erkennen gemeinsam hat. – –

 

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Jenseits allen Denkens, die Gedanken an sicherem Halfter zügelnd, als Beherrscher Deines Denkens, sollst Du das Erschaubare in Dir selbst erschauen lernen durch Versenkung in Deine innerste Tiefe: – alsdann erst darfst Du Deinen Gedanken Freiheit geben, und dann erst werden Deines Denkens Schlüsse Geistiges aus Geistigem zu erschließen vermögen! – –’

So endete damals des Meisters Rede!

Ich aber glaube, es war nicht ganz überflüssig, sie Ihnen mitzuteilen?!” – –

 

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„Gewiß nicht” erwiderte der Physiker „und wie alles andere, so leuchtet es mir auch wahrhaftig ein, daß unser Denken stets nur bedingt ist durch die Prämissen, von denen es jeweils seinen Ausgang nimmt!

Wenn ich recht verstehe, so zweifelte ja auch Ihr Guru keineswegs an der Richtigkeit logischer Schlüsse; nur gab er Ihnen die Erwägung nahe, daß unser Denken sozusagen indifferent ist, gegenüber der Grundlage auf der es arbeitet, so daß auch die logisch unanfechtbarsten Schlüsse dennoch letzten Endes falsch sein können, so bald sie auf Voraussetzungen fußen, die selber von Anfang an nicht gehörig gesichert sind.

Ich verstehe auch sehr gut, daß wir für unser Denken, soweit es geistige Dinge betrifft, nicht minder einer Erfahrungsgrundlage bedürfen, wie wir ja solche auch für unser, physischen Dingen zugewandtes Denken tatsächlich besitzen, und daß es falsch ist, wenn man glaubt, man könne einen Ersatz für solche Erfahrung jemals im Denken selber gewinnen. – –

Das alles begegnet in mir gewiß keinem Zweifel mehr, allein ich frage mich, wie ich nun selbst zu solcher Geisteserfahrung, die vor allem Denken über Geistiges liegen soll, gelangen könnte, und hier breiten sich denn vor mir nur sehr unsichere Gefilde, so daß ich zögere, mich ihnen zu vertrauen. –”

 

*

 

Und der Jüngere antwortete und sprach:

„Soweit Ihnen noch nicht aus alledem was ich Ihnen sagen durfte, näherer Aufschluß wurde, will ich auch in diesem Punkte den Meister selbst zu Ihnen reden lassen, denn auch ich hatte einst die gleiche Frage zu stellen und mein Tagebuch verzeichnet getreulich des Meisters Antwort, die ich in jenen Tagen erhielt.

 

*

 

Also sprach dereinst zu mir der Meister:

 

‚Gewohnt von Jugend auf, nur in Deinem Denken letzte Entscheidung zu suchen, hast Du die Kraft in Dir verkümmern lassen, durch die Dir Gewißheit im Innewerden kommen soll!

Aber alle Gewißheit, die Dir Dein Denken jemals geben kann, ist nur wie ein Schattenbild jenes gewissen Wissens, das Dir im Innersten wird, sobald Du es vermagst, Dich über Dein Denken zu erheben und selber einzugehen in jenes Reich, davon Dein Denken Dir niemals Kunde bringen kann.

Du selbst mußt Deinem Denken von jenem Reiche Kunde bringen, wenn es auch hier sich bewähren soll! – –

Willst Du aber hinfinden zu der engen Pforte, die zum wachen Erleben führt, dann wirst Du alle breiten Straßen, die irdisches Denken bahnte, bewußt verlassen müssen!

Auch der Veden Weisheit ist in vielen Stücken nur törichtes Ersinnen, wenn es gelten soll, jene wahrlich enge Pforte zu finden!

Es bewegt sich auf breiten Wegen die Upanischad, und der Avesta geht die gleichen breiten Straßen betörten Denkens, wenn auch in alledem zuweilen die Spuren solcher zu finden sind, die jenen schmalen Pfad gefunden hatten, der zu der Pforte des Lebens führt. – –

Auch was jener Sidharta lehrte, den sie den Buddha nannten, wird Dich nicht zum Ziele führen, mag es auch manche weisheitsvolle Erkenntnis in sich bergen, die wahrlich nicht des Denkens Frucht zu nennen ist!

 

*

 

Gar manche versuchten, unerkannt, den schmalen Pfad zu zeigen, aber nur Einer ist der Menschheit weithin bekannt geworden, der es nicht nur versuchte, sondern durch Tat und Leben ihn zu zeigen wußte…

Euch Christen ward er nachmals zum „Gott” und Ihr nennt Euch nach ihm, aber vergeblich suche ich solche unter Euch, die seiner Wegspur folgen. – – –

Törichte Narren glaubten zu manchen Zeiten seine Weggefährten zu sein, sobald sie nur suchten, ihn, nach seines Lebens vielverwirrter Kunde, nachzuäffen, und selbst in heutigen Tagen noch lassen sich wahnbetörte Schwärmerseelen finden, die sich im Äußeren mühen, seinem Bilde zu gleichen, und bar jeder Scham, seine hohen Worte ihrem selbstgefälligen Treiben dienstbar zu machen trachten.

Die hirnverbranntesten Gesellen haben seinen Namen schon entweiht; aber auch unter denen, die ihm ehrlich folgen wollten, gab es nicht wenige, die ihn unbewußt lästerten, wo sie seinem Worte zu entsprechen glaubten.

Wahrhaft ein Wunder bleibt es, daß er trotz aller Greuel, die da in seinem Namen schon die Menschheit schändeten, noch immer verehrungswürdig durch die Geschichte dieses Erdenmenschen schreitet! – – – – –

 

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Der äußerst Seltenen einer, die sich selbst als das bekennen müssen, was sie sind, hat man sein Bekenntnis wahnerfüllt mißdeutet und aus ihm den „Gott” gemacht; aus seinen Worten aber eine Lehre, die sich mit alter Götterlehre mengte, ohne die tiefverankerte, geheime Weisheit mitzuübernehmen, die in solcher Götterlehren Kunde sich dem Wissenden zu offenbaren wußte. – – – – –

Von frühester Zeit an hat man so gefehlt!

Er aber – der Unseren einer – und dennoch uns allen, die wir seine Brüder im Reiche des Geistes sind, so sehr an Liebeskraft überlegen, war wahrlich der Einzige aus uns, der aller Menschheit einst den schmalen Pfad zu zeigen wußte, der zu der engen Pforte des wachen, ewigen Lebens führt…

Von ihm dieses Weges Weisung sich erteilen zu lassen, kann auch dem Weisesten nichts von seiner Würde nehmen! – – –

Aber er wußte einst auch zu sagen, daß er zu senden wisse, wer seiner Sendung Siegel führe und daß ihn aufnehme, wer den aufzunehmen wisse, den er senden wolle, aus dem Hause seines „Vaters”, von dem er sagte, daß es Vieler Wohnung in sich schließe......

 

*

 

Er zeigte den Weg – den schmalen Pfad – der zu der Pforte des Lebens führt, und er lehrte diese Pforte öffnen!

Wer aber nach ihm kommt, kann sein Siegel nur erweisen, wenn er den gleichen Weg zu zeigen weiß!

Es gibt hier letzten Endes nur den einen Weg, und wohl Euch, wenn Ihr ihn betretet! – –

Seht doch, wie der Zimmermann ihn zeigte, der da wie wir, ein Meister des wahren Lebens war!

Sein Leben war auch seine Lehre! Vergeblich würdet Ihr Euch mühen, wolltet Ihr unter dem Schutt der späteren Verfälschung seiner alten Lebensberichte eine Gedanken weisheit zu erspähen suchen, der er sein Erkennen etwa hätte verdanken können!

Nicht aus Ägypten und nicht aus Indien kam ihm seine Weisheit, und zu jeder Zeit kann wahrlich gleiche Weisheit finden, wer ihrer würdig ist!

Seines „Vaters” Kraft und Weisheit war es, die sich nach seinem eigenen Wort in ihm offenbarte, aber dieses „Vaters” Weisheit ist kein Werk des Denkens, sondern des wachen Seins! – –

 

*

 

Auch ich, o Teurer, kann Dich nicht zu wachem Erkennen in Innewerdung führen, es sei denn, ich führe Dich den gleichen Pfad, den der hohe Meister von Nazareth beschreiten lehrte, nachdem er selbst einst sich zum „Wege” gewandelt wußte und gar wohl sagen durfte, daß er „der Weg, die Wahrheit und das Leben” sei. – – –

So will ich denn heute diesen Weg Dir zeigen und Dir lichte Lehre geben, wie Du am ehesten den Höhenpfad verfolgen kannst, der Dich zur Pforte des wachen Selbsterlebens im Geiste führt.

Öffne Dein Herz und höre mir zu!

Du sollst hier tiefstes Mysterium in Dir selbst zu erfahren fähig werden!

Letztes Geheimnis soll sich Dir entschleiern!

Zu Deinen höchsten Gipfeln will ich Dich leiten und an meiner Hand sollst Du gefahrlos alle Abgründe unter Dir sehen lernen!

Wenn Du mir folgen willst, wirst Du wahrhaftig zu Deiner höchsten Höhe finden, zu jener höchsten Höhe, die Dir im Firnenlichte des Geistes Deine ewige Abkunft zeigt, hoch über den dunstigen Gefilden, in denen sich deiner Erdentage irre Bahn bewegt! – – –

So höre denn und folge mir, wenn Du berufen bist mir zu folgen, und also mir zu folgen

vermagst! – – – – –

 

*

 

 Urzeitigen Falles Versklavter, warst Du in düsterste Nacht versunken, aus der nur göttliche Kraft Dich zu befreien wußte.

Selbsteigenen Willens Gebundener an die Macht der Herren dieses äußeren physischen Kosmos, ein Höriger des „Fürsten dieser Welt”, wurdest Du Deiner Gedanken Beute, – Du, der vordem Herr allen Denkens war! –

Aus solcher Hörigkeit gilt es Dich zu lösen! – –

Wäre jener nicht über diese Erde geschritten, von dem ich vordem sprach: jener, den wir den Größten der Liebenden nennen, so würde nur wenigen erreichbar das Ziel, von dem ich Dir künde …

Er aber vermochte es, die „Aura” dieser Erde so zu wandeln, daß alle, die da „guten Willens” sind, einzugehen ins Licht, auch die Kraft empfangen, die ihres Willens Sehnsucht Erfüllung werden läßt. – –

So können heute gar viele ihre „Erlösung” finden, die ohne seine Liebestat auf Golgatha nur Opfer der Vernichtung hätten werden müssen, – zum mindesten jedoch äonenlanger Qualen Beute, bevor Befreiung und Errettung ihnen hätte werden können. – – –

Du hast es durch ihn nun leicht, Dich selbst zu lösen, so Du Dich er-lösen willst! –

 

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Laß fahren alle erdachte Weisheit und scheine sie Dir auch „Götterwort”, um zu jener Weisheit aus Tat und Leben hinzufinden, die auch der Weisesten dieser Erde hohe Lehren nicht ergründen, da sie in Tiefen ankert, die kein Denken je ermessen kann! – – –

Die Einfalt des Kindes suche in Dir zu erreichen, durch die Du vermagst, aus Deiner vielfältig gewundenen Enge Dich zu lösen, in der Dich gebunden hält, was nicht Du selber bist! – –

Es ist wahrlich leichter, daß ein Kamel – und sei es auch nur ein Seil aus dessen Haaren – eingehe durch ein Nadelöhr, als ein nach irdisch gerichteter Geistigkeit „Reicher” in das Himmel reich!!

 

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Das heißt: daß alle Verstandes Weisheit nur zur Torheit wird, wo es gilt, den Geist des Lebens in sich selbst zu finden! –

Hier gibt es kein „Training”, keine Schülerübung, die zum Erfolge führt, und nichts kann sichere Gewähr verheißen, als nur die Tat und waches, tatbereites Leben! –

In wacher Tat nur kann der Strebende hier vorwärts kommen, und so nur erschließt sich ihm ein Geheimnis, das er vergeblich zu ergründen sucht, solange er noch in Gedanken darum buhlt! – – –

Hat er erkannt, um was es sich handelt, dann wird er lächelnd seiner Torheit gedenken, die vordem ihm erreichbar scheinen ließ in menschlichem Erdenken, was nun erfaßbar nur sich zeigt durch hohe Gnade. – –

So faßten es die Alten, und anders wird man auch in diesen Tagen nicht zu fassen wissen, was stets Mysterium bleibt, auch wenn es Tausende dereinst zu erringen wissen…

 

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Nicht dadurch, daß man seltsame Kräfte erstrebt, kommt man diesem Mysterium nahe; aber wer es erreichte, dem werden ohne alles Zutun wahrlich wundersame Kräfte zu eigen, – einem Jeden andere, – so wie sie ihm dienen können zu seiner Vollendung. – – –

Hier ist jede Willkür ausgeschlossen, und so nur, wie der Geist seine Gaben selber geben kann nach ewig innewohnendem Gesetz, sind sie für den Menschen zu erlangen. –

Wem aber des Geistes Gaben wichtiger sind als das Glück der Vereinung, das solcher Gaben Vorbedingnis ist, der wird gewißlich weder das eine, noch das andere erreichen und nur äonenlanger Täuschung verfallen. – –

Das Glück der Vereinung aber ist das Endziel und die Gaben des Geistes, die Dir dann werden können, sind der Erreichung dieses Endzieles gegebene Folge.

 

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Der Anfang Deines Weges ist hier auf Erden, inmitten des Alltags zu finden; alle Wegstationen liegen dann noch in irdischem Bereich; – erst wenn Du sie alle nacheinander zu erreichen wußtest, wirst Du Dich in Wahrheit von der Erde lösen können und das Reich des Geistes betreten, wo das Endziel Deiner wartet. – – –

Ach, daß so viele zwar den glühendsten Wunsch in sich tragen, das Endziel zu erreichen, aber sich nicht zur Einsicht erheben können, daß dieses Endziel sich nur erreichen läßt, wenn man den Anfang des Weges mitten im Alltag sucht, und dann von hier aus stets die nächste Wegstation als erstes Zwischen ziel ins Auge faßt, bis man sie erreichte, um dann die wieder nächste sich zum Ziele zu setzen! –

Statt dessen glaubt man schon den Anfang des Weges nur finden zu können, indem man dem Alltag entflieht und eine Welt sich aus der Phantasie erbildet, die nur der Vorstellungskraft ihr Dasein dankt! – –

Von da aus späht man nun nach dem Endziel aus und glaubt es erreichbar ohne Zwischenziele, so daß man zuletzt des eigenen Wähnens Beute wird und sich das vermeintliche Reich des Geistes ebenso aus dem Nichts der Vorstellung erträumt, wie man sich vorher schon die Illusion zu schaffen wußte, man sei der Erde Alltag weit entrückt und habe den Weg zum Geiste längst betreten…

Man weiß sich nicht in Zucht zu nehmen, um in Beharrlichkeit den Weg des Lebens zu durchschreiten: möchte vielmehr am liebsten morgen schon am Ziele sein, und schafft sich so selbst die Täuschung, der man dann erliegt in einer trügerischen Wonne, die zu Ende ist, wenn dieser Erde Leib die Kräfte nicht mehr nährt, aus denen man sich seine Scheinwelt zu gestalten wußte. – –

 

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Wahrlich, hier sind selbst Jene noch weitaus besser durch sich selbst beraten, die den Trug solchen Wahns erkennend, ihm nur Verachtung bezeigen, auch wenn sie nicht ahnen, daß sie ferne allem Wähnen den Weg der Wahrheit, der ein Weg des Lebens ist, in sich zu finden vermöchten! –

Sei Du aber weder Diesen noch Jenen gleich und folge vielmehr meiner Lehre, indem Du den Weg des Lebens, den Weg der wachen Tat von Anfang an beschreitest, um ihn von Ziel zu Ziel bis zum Endziel hin zu durchwandern, ohne danach zu fragen, wann Du das Endziel erreichen wirst!

 Sollst Du es nicht hier schon, und während Deines Erdenlebens dann erreichen, so wirst Du es doch mit Sicherheit gar bald Dein eigen nennen, auch wenn Du von hinnen scheiden müßtest, ohne es noch erreicht zu haben, denn man wird Dir dann eine Hilfe bieten können, die für keinen erfaßbar ist, der nicht schon hier in seinem Erdenleben den Weg des Lebens und der Tat beschritten hat! – – –

 

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Hier, mitten in Deinem Alltag, mitten im Leben Deines Berufs und Deiner irdischen Pflichten, sollst Du den Anfang finden! – – –

Es ist dieser „Anfang” nichts anderes, als das Erkennen, daß man auch sein alltägliches Leben vom Standpunkt eines ewigen Lebens her betrachten und auswirken kann. – – –

Die erste Aufgabe ist nun: sein Alltagsleben als einen Teil seines ewigen Lebens betrachten zu lernen und in eiserner Beharrlichkeit alle Verpflichtung des Alltagslebens so zu erfüllen, daß man gewiß zu sein glauben darf, in aller Ewigkeit nichts zu bereuen zu haben, was man in diesem Alltagsleben tun oder unterlassen mag.

Das erste Wegziel, das es zu erreichen gilt, besteht darin, daß man jene Ruhe des sicheren Gewissens erreiche, die solcher beharrlichen Erfüllung der Alltagspflichten früher oder später, aber mit aller Gewißheit folgen muß.

 

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Ist dieses erste Wegziel erreicht, dann zeigt sich von selbst das zweite, das dann besteht, daß man über den Alltagspflichten noch andere erkennt, die zwar im Alltag nicht als „Pflichten” gelten, aber dann als solche empfunden werden. –

Nun gilt es, diese Pflichten ebenso zu erfüllen, ohne etwa die Alltagspflichten hintenan zu stellen! – –

Was diese Pflichten gebieten, wirst Du augenblicklich wissen, sowie Du wirklich das erste Wegziel zu erreichen wußtest!

Für jeden einzelnen zeigen sich diese weiteren Pflichten in anderer Gestalt, und es wäre daher unmöglich, Dir sie näher bezeichnen zu wollen. –

 Du wirst aber niemals, wenn Du das erste Wegziel erreichtest, etwa in Zweifel geraten können, worin diese neuen Pflichten für Dich bestehen, und was sie von Dir fordern!

 

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 Hast Du auch diese Pflichten getreulich und mit Beharrlichkeit, so wie die Alltagspflichten, längere Zeit hindurch erfüllt, so wird sich von selbst das dritte Wegziel Dir als erreicht erweisen, indem Du die gleiche Ruhe des sicheren Gewissens, die nach vollendeter Erfüllung der Alltagspflichten Dir geworden war, nun auch in Hinsicht auf diese höheren Pflichten empfinden wirst. – – –

 

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 Alsdann aber wird sich Dir auch sogleich ein neues Wegziel zeigen, und Du wirst sehen, daß es nichts anderes von Dir verlangt, als daß Du nun auch für Andere wirksam zu machen suchst, was Dich selbst so weit förderte.

 Es ist hier nicht von Dir verlangt, daß Du in törichtem Bekehrungseifer, jeden, der Deinen Weg kreuzen mag, zu dem überreden sollst, was Dich zu Deiner Selbstgewißheit führte; allein man will, daß auch Du Dich in den Dienst des gleichen Wirkens stellst, das Dir schon erste Befreiung brachte, und daß Du durch Dein Beispiel in gleichem Sinne zu wirken trachtest. –

Auch dieses vierte Wegziel bestätigt seine Erreichung durch die bewußte Ruhe des Gewissens, die Dir anzeigt, daß Du es – nicht durch Reden und Dispute – sondern durch Leben, Tat und Handeln zu erreichen vermochtest!

 

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Und allsogleich wirst Du das fünfte Wegziel vor Dir sehen, das von Dir verlangt, Dich als Schaffenden zu bewähren!

Du wirst auf irgendeine Weise nun produktiv in das Leben Deiner Umwelt einzugreifen haben, nicht etwa indem Du versuchst, hier Mißstände auszutilgen, sondern dadurch, daß Du Förderliches im Sinne der Dir bereits gewordenen Erkenntnis, in Deiner Umwelt zu schaffen trachtest. – – –

Stellt sich auch hiernach dann die schon mehrfach mit Sicherheit empfundene, sichere Ruhe des Gewissens ein, so wird sie jetzt verbunden einer neuen Erkenntnis in Dir sich bezeugen, und dies ist die sechste Wegstation, die sechste Stufe Deines Weges, der Dich dann in der siebenten zur Vereinung mit Deinem geistigen Urgrund führen soll! – – –

 

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Die neue Erkenntnis aber wird Dir sagen, daß nun der Zeitpunkt gekommen ist, zu versuchen und immer erneut zu versuchen: ob Du Dich mit Deinem ganzen Sinnen und Trachten, ohne die Erde zu verlassen, dennoch geistig soweit aus ihrem Getriebe zu lösen vermagst, wie es nötig ist, um das Reich des Geistes in Dir die Vereinigung vollziehen zu lassen, durch die Dein erdenhaftes Bewußtsein fähig wird, Deines lebendigen Gottes heiliges Wort in Dir selbst zu vernehmen, ohne jemals noch der Täuschung zu verfallen.

 

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Nicht früher sollst Du es versuchen, Dich aus dem gewordenen Getriebe zu lösen, als bis Du völlig sicher bist, alle früheren Wegstationen wachend durchwandert zu haben!

Würdest Du es früher versuchen, so müßtest Du notgedrungen zur Beute tauschender Gewalten werden, um erst nach Deiner Erdenlebenszeit voll Entsetzen zu erkennen, wie sehr man Dich betrog!

Du würdest dann einem gleichen, der im Traume zu fliegen glaubt und sich seines Könnens freut, während er beim Erwachen sehen muß, daß er nach wie vor der Schwerkraft, die ihn an die Erde fesselt, nicht Herr zu werden vermag. –

 

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So einfach es Dir auch erscheinen mag, jene früheren Wegstationen zu durchwandern, und so sehr Dich die Versuchung locken will, zu glauben: Du hättest sie längst durchwandert, so sehr muß ich Dich warnen, Dich hier einer Selbsttäuschung hinzugeben!

Du stellst nicht nur den Erfolg Deines ganzen Strebens in Frage, sondern begibst Dich freventlich in Gefahr, den Weg, der Dich zum Lichte führen sollte, für Äonen zu verlieren, wenn Du zu früh versuchst, die Lösung aus dem erdenhaften Getriebe zu erreichen.

Hast Du aber wahrhaft und ehrlich Deinen vorbezeichneten Weg durchschritten und bist Dir bewußt, daß Du keines seiner Zwischenziele versäumtest, dann wird Deine Loslösung damit beginnen müssen, daß Du versuchst, den nackten Menschen in Dir zu finden!

Das scheint Dir nicht allzuschwer zu sein und ist dennoch weit schwerer als Du erahnen kannst! – –

 

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Bisher warst Du gewohnt, Dich als Sproß einer bestimmten Familie, als Sohn eines bestimmten Volkes, als Angehöriger eines bestimmten Kreises zu empfinden, – und das mit gutem Recht.

Bis hierher durftest Du Dich ja noch nicht aus solcher Bindung gelöst empfinden, wolltest Du Hoffnung hegen, jemals Dein Ziel zu erreichen.

Nun aber mußt Du alle solche Bindung allmählich vom Gesichtspunkte der Ewigkeit aus werten lernen, denn der ewige Geist gibt sich keinem ,Meder’ und keinem ,Perser’ , keinem ,Griechen’ oder ‚Römer’, – keinem Sproß aus diesem oder jenem ehrenwerten Hause, und keinem Gliede dieser oder jener Kaste, sondern nur: – dem nackten

 

MENSCHEN! – – –

 

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Diesen „nackten”, kosmisch gegebenen Menschen mußt Du also nun in Dir allein noch fühlen und alles was ihn irdischerweise besonders bestimmen mochte, muß Dir dann wesenlos und vergänglich erscheinen!

Doch würdest Du wahrlich meine Worte gar irriger Deutung unterwerfen, wolltest Du etwa glauben, nun müßte Dir auch in Deinem Alltagsleben dieses als „wesenlos” und „vergänglich” Erkannte, wertlos erscheinen!

 

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In Dein Alltagsleben fügt es sich wohlbegründet ein und muß daselbst erhalten bleiben, wenn Du die kosmische Ordnung nicht stören willst; aber ebenso würdest Du diese Ordnung in verbrecherischer Weise stören, wolltest Du innerhalb Deines Alltagslebens diesen bestimmenden und durch ihre Bestimmtheit trennenden Momenten größeren Wert verleihen, als ihnen durch ihre Naturgegebenheit allein schon zusteht! – –

Wenn Du im Alltag liebend solche Bedingtheit umfaßt, – mag sie Familienkreis oder Kaste, Volkstum oder Nation sich nennen, so wirst Du immer richtig handeln und auch die Bedingtheiten Anderer zu lieben wissen; allein, sobald Du besonders hervorzuheben suchst, was Dich in solcher Weise als Glied des Menschheitsganzen bestimmt, wirst Du zum Störer kosmischer Ordnung, gleichwie ein Musiker in einem großen Orchester das Tonwerk stören würde, wollte er sein Instrument verstärkt ertönen lassen und lauter als es die Rolle verlangt, die ihm des Tonwerks Meister zugeschrieben hat! – – – – –

 

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Auch angelangt an dieser letzten irdischen Wegstation, von der aus Du das Reich des Geistes bald betreten sollst, darfst Du nicht etwa wähnen, nun auch nur eine der vorher erkannten Pflichten versäumen zu dürfen!

Im Alltag mußt Du daher stets allem seine Rechte lassen, was des Alltags ist, und trotzdem mußt Du in Dir selbst jenes höhere Empfinden tragen, das Dich als „wesenlos” und „vergänglich” sehen läßt, was gleichwohl im Alltag seinen Alltagswert erweist! – – –

 

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Ist so nun im höchsten Bereiche Deines Empfindungslebens nichts mehr zu finden, als der nackte, kosmisch gegebene MENSCH, der sich der GOTTHEIT einen will, dann wirst Du Dich erst selbst wahrhaft lieben lernen müssen, wirst immer mehr und mehr Dich selbst nur noch als LIEBE zu empfinden suchen dürfen, bis nichts mehr in Dir ist, das etwas anderes als LIEBESFEUER wäre. – – – – –

Also in Liebe verzehrt, wirst Du in dieser glutgeläuterten Region zum Gefäße GÖTTLICHER Liebe werden, und in Deinem innersten „Ich” wird sich Dein „LEBENDIGER GOTT” Dir einen …

 

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Hier erst hast Du dann Deines Höhenweges Endziel erreicht, aber Du würdest gar bald das Erlangte wieder verlieren, wolltest Du Dich nun, soweit Du als Sohn der Erde auch Deinem Alltag gehörst, Deinen Alltagspflichten enthoben wähnen! – – –

Der Weg ist nun in Dir, auf dem Du fortan zu jeder Zeit, und zwar noch im Augenblick Deines Wunsches, Dich zu Deiner höchsten Höhe im Reiche des Geistes, zu Deiner Einheit mit Deinem lebendigen Gotte erheben kannst; und von dieser höchsten Höhe aus wird auch Dein Alltag Licht empfangen, – ein Licht, das nicht von dieser Erde ist, und irdischem Gesetz nicht unterworfen! – – –

Dann wirst Du vielleicht erfassen können, was jener große Liebende einst lehrte, als er davon sprach, daß das Reich der Himmel „nahe” sei, und daß man nicht sagen könne, es sei da oder dort, oder glauben dürfe, es komme mit großer Gebärde, denn:

 

„Das Reich Gottes ist in Euch!”

 

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In hoher Begeisterung waren diese aufgezeichneten Worte verlesen worden und die beiden älteren Männer, die ihres jüngeren Freundes Stimme lauschten, waren tief ergriffen von dem, was sie hier gehört.

Nach einer Weile des Schweigens erhob sich nun der Älteste der drei und sprach:

„Wahrhaftig, es ist erhabene Lehre, die wir hier empfingen und das Geheimnis wahren Lebens hat sich uns nun enthüllt!

Wie viele Rätsel finden in dieser Lehre ihre Lösung!

Wie anders sieht man das Dasein des Menschen auf dieser Erde an, wenn man solches hören durfte!

Nun ist mir jede Frage erstorben und ich sehe den Weg mit aller Deutlichkeit vor mir, den ich zu durchschreiten habe! –”

 

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Und auch der andere der drei Freunde, der sich, während der Alte also sprach, gemeinsam mit dem Jüngsten erhoben hatte, ließ sich nun in gleicher Weise vernehmen, und seine Worte klangen in das Bekenntnis aus:

„Uns ist Großes widerfahren auf dieser Reise und als Andere kehren wir heim, wenn morgen die Zeit des Abschieds von dieser Insel naht!

Nun wird auch unser Alltag, den wir nur allzuoft als grau und leer empfanden, Farbe und Inhalt gewinnen, und wenn man in alten Zeiten hier die Sonne als Symbol der Gottheit ehrte, so darf ich sagen, daß auch ich jetzt solchem Sonnendienst ergeben bin; nur trage ich diese Sonne in mir selbst und ich glaube ihre Strahlen schon zu fühlen! – – –

Wohl hatte ich mir manches Schöne von unserer Reise erhofft, aber niemals hätte ich erwartet, daß ich so mit lebenslang gesuchter Erkenntnis bereichert, zurückkehren würde. – –

Es müssen wahrhaftig höhere Mächte über uns die Hände halten! – –

Und wenn wir beiden Älteren es auch bedauern möchten, daß die Erkenntnis, die sich uns nun zeigt, erst in so späten Jahren zu uns kam, so müssen wir doch gestehen, daß sie früher noch verfrüht gewesen wäre und sich offenbar die rechte Zeit zu wählen wußte. – –“

 

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Die beiden Schiffer hatten schon längst die Barke wieder zum Meere heruntergeholt, das jetzt spiegelglatt und wie flüssiges Licht, bereit war, die Sonnenscheibe in sich aufzunehmen.

Meer und Himmel schienen geeint in goldener Glut!

Die Freunde bemerkten endlich, daß ihre Ruderer wohl schon lange auf sie gewartet haben mochten, und so stiegen sie denn hinab zum Strande, während der jüngste der beiden Brüder, als er den Aufbruch gewahrte, eiligst entgegen kam, um Körbe und Gefäße zurück ins Boot zu holen.

 

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Nach wenigen Minuten schon war die Barke wieder weitab von der Stätte, an der man so lange gerastet hatte, aber nun war es nicht mehr nötig, auf das offene Meer hinauszusteuern und man konnte gefahrlos zwischen den Uferklippen hindurch die hohen Felsenwände der Insel in nächster Nähe umfahren.

Wundersam farbenprächtig glühte das Gestein in der Strahlenfülle der leuchtend im Meere versinkenden Sonne.

 

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An dieser Seite der Insel gab es nun nur wenige grüne Schluchten und breitere, ölbaumbewachsene Einbuchtungen.

Fast ununterbrochen türmten sich hohe Felsenmauern auf, gar oft vom Meere unterhöhlt, so daß man in weite, geheimnisraunende Grotten blickte.

Da die drei Reisenden für alles, was man so aus nächster Nähe gewahren konnte, großes lnteresse zeigten, machte es ihren beiden Ruderern Freude, vom nächsten Rückweg abzuweichen und jede der kleinen Meeresbuchten auszufahren, wobei man nun auch dann und wann an besonders schönen Stellen des längeren verweilte.

So war es gekommen, daß allmählich die Nacht hereingebrochen war, – eine Nacht mit immer sich mehrender Sternenpracht, – während man vom festen Lande herüber nur noch die flimmernde Lichterzeile der nicht allzufernen, großen Hafenstadt gewahrte.

Die Insel selbst wirkte jetzt, als sei sie unbewohnt, denn noch war man eine reichliche Strecke von der Stelle entfernt, von der aus man zuerst die Lichter ihrer Hügelstadt hätte sehen können.

 

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In tiefem, schwarzen Felswandschatten glitt die Barke, nun durch schärferen Ruderschlag beschleunigt, dahin.

Unzähliges Leuchtgetier des Meeres ließ die Ruder, sobald sie das Wasser berührten, blitzendes, bläulich phosphoreszierendes Licht aus der Tiefe holen.

Wie ein Raketenschweif leuchtete lange noch die Kielspur des Bootes nach.

Da hier die Fische nur des Nachts bei Fackelschein gefangen werden, so begegnete man auch zuweilen einem Fischerkahn, der jetzt noch gespenstig in Dunkel gehüllt, hinaus zu seinem Fangort fuhr.

Fröhliche Begrüßungsrufe wurden gewechselt und alsbald entschwand man sich wieder in der Finsternis.

Zuweilen, und besonders, wenn sie wußten, daß ein gutes Echo ihrer Kunst sich günstig zeigen mochte, ließen die beiden Brüder auch die Lieder ihrer Heimat mit aller Lungenkraft erschallen, aber da ihre Stimmen nicht allzuviel von dem melodischen Wohllaut der großen Sänger ihres Landes besaßen, so hörten die drei Reisenden, des Textes kundig, zwar gerne zu, wußten es aber dann nur umso mehr zu schätzen, wenn wieder die tiefe Abendstille sie umfing, durch das Geräusch der rhythmischen Ruderschläge nur noch eindrucksvoller dem Empfinden dargeboten.

 

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Endlich sah man nun auch, als man den letzten hohen Felsvorsprung umfahren hatte, die ersten Lichter von der Insel her, und nun währte es nicht mehr lange bis man den kleinen Inselhafen erreichte, wo schon der bestellte Vetturino mit seiner Kalesche seit Stunden auf die Rückkehr der Barke gewartet hatte, um dann die Fremden in langsamer Fahrt die vielgewundene Straße hinaufzubringen zu der kleinen Stadt, wo ihre liebgewonnene Gaststätte ihnen diese Nacht zum letzten Male Obdach bieten sollte.

Nachdem die Freunde hier noch ihren Abend imbiß eingenommen hatten, ergingen sie sich wohl noch eine kleine Weile unter den Zedern und Palmen des nächtlich dunklen Gartens und erfreuten sich an dem Lichtgefunkel auf dem Meere, das von den Fackeln der zahllosen Fischerboote herrührte, in denen man jetzt dem Fang oblag.

 

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Da man des anderen Tages abreisen wollte, fand man es aber doch alsbald geraten, die Nachtruhe aufzusuchen, nachdem man vorher noch übereingekommen war, wenn irgend möglich, von der nahen Hafenstadt des Festlandes aus, zur Heimfahrt den Seeweg auszunützen, soweit er sich nur benützen ließ.

Bei solcher Reiseart war schönste Gelegenheit noch zu erwarten, alles was man in diesen Wochen nun besprochen hatte, in Sammlung seelisch erneut zu betrachten, um ganz erfassen zu lernen, wie anders sich das Erdendasein nun zeigte, nachdem jetzt enthüllt sein segenbringendes Geheimnis war. – – –